GUTE MUSIK 23

Rezensionen von Lothar Trampert. Nur gute Musik.

VANESA HARBEK: VISIONES

Als Santana-Fan zaubern mir schon die ersten Takte dieses Albums ein Lächeln ins Gesicht. Und dann diese sympathische, eigenwillige Gesangsstimme mit ganz eigenem Flow – die Sängerin, Gitarristin und Trompeterin Vanesa Harbek ist wirklich eine beeindruckende Musikerin, die auch noch als Malerin aktiv ist. Sie ist Mitte 40, stammt aus Argentinien und lebt schon seit 2017 in Deutschland. ,Visiones’ ist ihr drittes Studioalbum, auf dem sie von kompetenten Kollegen begleitet wird: Bassist Martin Engelien, Schlagzeuger Berni Bovens, Keyboarder Thomas Hufschmidt und dem hier gewaltig für Stimmung sorgenden Percussionisten Pitti Hecht. Resultat ist ein bluesiges Album mit Latin-Grooves und gelegentlich sehr cooler Jazz-Atmosphäre, unterhaltsam, mit virtuosen Soli, eingängig und trotzdem spannend. Vanesa singt auf Spanisch und Englisch, ihr Gitarrenspiel ist sehr melodisch und ihre variablen Sounds und emotionalen Soli sind Highlights vieler Songs.

Produziert wurde ,Visiones‘ von Bassist Martin Engelien, auch bekannt als Betreiber des Labels A1-Records und Initiator der Konzertreihe Go Music – und da hat er einen guten Job gemacht: Denn jeder der zwölf Tracks ist gelungen, und mit diesem abwechslungsreichen Musikpaket bekommt man wirklich Lust auf ein Konzert dieser sympathischen Künstlerin. Das Album gibt’s als CD (mit buntem Foto-Booklet mit Song-Texten) und als Vinyl-LP. Vanesa Harbek tourt regelmäßig in Deutschland – die aktuellen Termine findet man unter www.vanesaharbek.com.ar.

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THE VOO: BROTHER VOO

“Through the echo of a twangy surf guitar, a double-bass transforms into a distorted wail, into a wave of orchestral strings, into a twisted and hypnotic beat. Welcome to the weird and wonderful world of The Voo.” So stellt sich das in Hamburg ansässige, deutsch/britische Duo The Voo auf seiner Bandcamp-Seite vor. Ihr Debüt ,Dreamrocknroll‘ erschien im Mai 2021, Ende 2022 folgte dann ,Brother Voo‘, eine opulente Doppel-LP mit 18 Tracks.

Die beiden Multiinstrumentalisten Ben Galliers und Andrew Krell stecken hinter diesem Band-Namen – und hinter einem Projekt, das so ziemlich einzigartige Musik zwischen den Stilen macht, mit Psychedelic-Sounds, Krautrock-Atmosphäre, Surf, Rockabilly, Psychobilly, Psychedelic … und einen Track weiter rocken sie dann Stoner-mäßig oder klingen in ,Interstellar Afternoon’ wie eine Neo-Soul-Band auf Prozac. Machten, muss es heißen: Leider ist ,Brother Voo’ ihr letztes Werk, denn Andrew Krell starb Anfang 2022 während der Aufnahmen zum Album. “Es war so unerwartet und niederschmetternd, dass wir alle einfach nur fassungslos waren. Nachdem ich mit seiner Familie gesprochen hatte, bekam das Album eine neue Bedeutung und eine noch größere Wichtigkeit für mich persönlich. Es ist Andrews letztes Werk, es ist eine Feier unserer Freundschaft, unserer Musik und eine Art, seinen Einfluss auf meine Lebenseinstellung zu würdigen. The Voo war für uns beide mehr als nur die Musik. Es war unser Traum, ein Doppel-Album aufzunehmen. Die Fertigstellung des Albums war ein Weg, um Danke zu sagen und den Verlust eines Freundes zu verarbeiten“, erzählt Ben Galliers.

Geblieben ist ein großartiges Stück Musik, nein, eine Reise durch eine musikalische Welt, die alle Höhen und Tiefen zu kennen scheint, sich keiner Stilrichtung versperrt, handgemachte Sounds und Loops organisch zusammenbringt, Songs und Soundtracks verschmilzt, Dur- und Moll-Gegensätze auflöst, Verzweiflung mit Hoffnung und Darkness mit schönem Licht verbindet. Auf LP1 von ,Brother Voo‘ sind neue Studioproduktionen zu hören, LP2 kontrastiert mit Demos, Fragmenten und Live-Tracks. Und jedes Stück ist intensiv, spannend, berührend. Was für ein Trip!

Das Comic-Artwork des Album-Covers hatte bei mir ganz andere Erwartungen ausgelöst, und was The Voo in ihren Videos machen ist dann noch mal speziell. Was alles verbindet, ist das permanente Überraschungspotenzial. Dann geht’s mal wieder in eine ganz neue Richtung, und du wunderst dich einmal mehr, dass es immer noch authentisch und nach The Voo anhört. Ich habe seit ewigen Zeiten keine so originelle Minimal-Band erlebt. Wahrscheinlich waren das The 39 Clocks aus Hannover. Das war in den 1980ern. OMG, bin ich schon lange hörend – und immer noch überraschbar. Aber nur von so genialen, emotionalen, echten Künstlern wie in diesem Fall: The Voo sind eine Entdeckung. Ihre Musik bleibt. Danke, Ben. Thank you, Andrew. 🥀

Kauft beim Erzeuger: thevoo.bandcamp.com/album/brother-voo

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ELLA ZIRINA: INTERTWINED

Was für eine Entdeckung! Irgendwann begegnete mir ihr Name, ich sah ein paar Youtube-Videos und erlebte dann ihren Solo-Auftritt beim Kölner Klaeng-Festival im April 2023. Und war begeistert. Ella Zirina heißt die Jazz-Gitarristin und Komponistin, um die es hier geht, eine Musikerin, die sich mit ihren Band-Projekten in der niederländischen Jazz-Szene weit nach vorne gespielt hat. Geboren wurde sie 1997 in Lettland. In Amsterdam hat sie unter anderem bei Jesse van Ruller, Reinier Baas, Maarten van der Grinten und Martijn van Iterson gelernt und 2021 ihr Studium am Conservatorium mit der höchsten Auszeichnung abgeschlossen. Jetzt ist ihr Debüt-Album da: ,Intertwined’ präsentiert Improvisationen, Kompositionen, Klangbilder, mal mit ihrem Trio (David Macchione am Kontrabass und Eloi Pascual Nogue am Schlagzeug), dann in Quartett-Besetzung mit Saxophonistin Tineke Postma eingespielt, und ein Streichquartett ist hier auch noch gelegentlich zu hören. Zusammengehalten wird die Musik von Ella Zirinas warmem Gitarrenton (der kommt übrigens von einer, in Jazz-Kreisen eher selten zu sehenden hellblauen Gibson DG-335 Dave Grohl Signature Semiacoustic), und ihrer sehr eigenen Rhythmik, die ihre Impulse irgendwo zwischen Latin und Avantgarde bezieht.

Ella Zirina solo im Kölner Stadtgarten. ©Lothar Trampert

Ella hat, bis sie 17 Jahre alt war und zur Gitarre wechselte, erst einmal klassisches Piano studiert – und nach und nach kamen zu Einflüssen wie Alexander Scriabin und Bill Evans auch noch Jim Hall, Wes Montgomery, Joni Mitchell, Led Zeppelin … und ein paar Jazz-Rock-Alben hat diese Gitarristin offensichtlich auch gehört. Jedenfalls lässt das die Musik von ,Intertwined’ vermuten: Acht Eigenkompositionen, zwei Jazz-Standards und ein Pop-Song begleiten hier einen musikalischen Trip, der stilistisch wie klanglich Grenzen auslotet und Genres, Konzepte, Sounds miteinander verflechtet. Auch als Sängerin kann man Ella hier erleben, mit hoher, ruhiger Stimme, die eine weitere schöne Farbe beisteuert. Und dann ihre unbegleitete Interpretation von George Gershwins ,I Love You Porgy’: Hier kann man kaum glauben, dass all diese gitarristischen Ideen und Klänge nur von einer Musikerin stammen. Am Ende der Reise, spätestens im instrumentalen Finale mit der von Sängerin Elkie Brooks bekannten James-Shelton-Komposition ,Lilac Wine’, steht fest, dass man sich den Namen dieser 26-jährigen Jazz-Gitarristin merken sollte. Denn Ella Zirinas Individualität und Kreativität, ihre stilübergreifende Kompetenz, ihr Geschmack für Sounds und Arrangements und ihre gitarristische Intelligenz und Ausdruckskraft sind einfach großartig. Das Album gibt’s als Download und physisch, im schön gestalteten Digipak, über Ella Zirinas Bandcamp-Seite, weitere Infos auf http://www.ellazirina.com. ,Intertwined’ ist ein ganz großes Debüt! lt

LIVE: Am 24. April 2023 konnte man Ella Zirina im Trio im Kölner Loft erleben. Mehr hier: www.loftkoeln.de/event/ella-zirina-intertwined-feat-robert-landferman-jonas-burgwinkel/

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DOMINIC MILLER: VAGABOND

Der als ständiger Begleiter von Pop-Star Sting bekannt gewordene Gitarrist Dominic Miller, Jahrgang 1960, hat im Lauf seiner Karriere Produktionen unzähliger Künstlerinnen und Künstler im Studio als Sideman bereichert. Er ist ein sensibler, einfühlsamer Musiker, der auch mit wenigen Tönen im Hintergrund zu großer Atmosphäre beitragen kann. Wenn ich richtig gezählt habe, ist ,Vagabond’ Millers vierzehntes Solo-Album und das dritte beim Label ECM. Keine Frage: Diese Einspielung ist nicht nur ein Stück wunderbar entspannter, im Kleinen sphärischer Klangkunst eines dezenten Virtuosen und Band-Players – sie ist auch eine Bereicherung des ECM-Katalogs. Zu Dominic Millers Quartett gehören Drummer Ziv Ravitz, der Pianist/Keyboarder Jacob Karlzon und sein langjähriger Begleiter Nicolas Fiszman am Bass. Man kann jedem dieser Künstler, wie auch dem Produzenten und Engineer der Aufnahme bescheinigen, hier ganz großartiges geleistet zu haben. Denn selten habe ich ein so plastisches, mit der Musik harmonisierendes Sound-Design erlebt, dass jedem instrumentalen Beitrag seinen Raum gibt um so ein lebendiges, zartes Ganzes zu ermöglichen. Sensibilität, Interaktion, Schönheit, Tiefe machen diese Musik aus – ein perfektes Genussmittel aus der schubladenfreien Zone des europäischen Jazz. Ab Mitte April ist Dominic Miller in Deutschland und Europa auf Tour.

Lothar Trampert in Jazzthetik 05-06/2023

JULIAN LAGE: THE LAYERS

Als im vergangenen Jahr der unnahbare Intellektuelle Julian Lage auf den eigenwilligst bodenständigen Intellektuellen Bill Frisell traf, hatten die Herren wohl so viel Spaß miteinander, dass noch eine Menge mehr an Musik im Studio entstanden war, als anschließend veröffentlicht wurde. Ich weiß nicht, ob es an der Wiederhörensfreude liegt, dass mir ,The Layers’ noch leichter zugeflogen kommt als vor einem halben Jahr ,View With A Room’. Bassist Jorge Roeder und Drummer Dave King komplettieren wieder das Quartett, das hier auf vier Tracks zu hören ist, dazu kommen noch ein großartig gespieltes und aufgenommenes Duett von Lage & Roeder und natürlich eins von Lage & Frisell. Wobei letzteres, ,This World’, die beiden Gitarristen als Folk-Jazz-Grenzgänger präsentiert, mit wunderbar ineinander verzahnten Improvisationen. Und dann ,Mantra’: Ein mysteriöses Gitarrenmotiv wird zum Riff ausgebaut, wächst bedrohlich, um dann in einem Gitarrensolo regelrecht aufzublühen – die zweite Gitarre schiebt sich mit Geräuschhaftem und eingeblendeten Violining-Tönen ins Geschehen, und dann löst sich alles auf. Eine solche Miniatur muss man erst mal kreieren können! Und auch wenn sie auf einer Komposition von Julian Lage basiert, ist hier die Interpretation, die Interaktion, das zentrale Werk. Der abschließende Titel-Track des Albums perlt dann mit folkiger Verspieltheit vor sich hin, um mit ein paar bluesigen Licks zu enden. Großartig – und viel mehr als nur ein Nachschlag.

Lothar Trampert in Jazzthetik 05-06/2023

JAKOB MANZ: GROOVE CONNECTION

,Jazz Is A Spirit’ heißt der erste Track dieses Albums – eine Gemeinschaftskomposition von Jakob Manz (as/fl), Roberto Di Gioia (kb), Karin Hammar (tb), Bruno Müller (g), Tim Lefebvre (b) und Per Lindvall (dr), die mit einem coolen Bass-Lick im 70s-Sound beginnt und dann mit WahWah-Gitarre, der Trompete von Gast Paolo Fresu und einer Spoken-Word-Sequenz von Mark Harrington überrascht. Da kommen Erinnerungen an Serge Gainsbourgs geniale ,Histoire De Melody Nelson’ (1971) auf, aber einen Track weiter klingen die Bläser dann schon eher nach The Crusaders. Dass ausgerechnet im Paul-Nero- aka Klaus-Doldinger-Klassiker ,Soul Tiger’ Gastgitarrist Nguyên Lê in die Saiten haut und deftig abrockt, passt zur Verspieltheit dieses Gute-Laune-Albums im besten Sinn. Das nächste Gitarrensolo in ,Teacher Bleacher’ kommt dann wieder von Bruno Müller, einem Musiker, der nicht nur diesen Track mit seinen funky Rhythm-Licks extrem trägt. Bandleader Jakob Manz gönnt sich dann mit ,I Look To You’ von Robert Kelly eine echte Schnulze im Easy-Listening-Sound – und zeigt einen Track weiter, in seiner Eigenkomposition ,Neon Yellow’, neben Virtuosität auch noch Stilsicherheit – nur Lionel Richies ,Dancing On The Ceiling’ marschiert ein bisschen zu zackzack. Dafür begeistert ,Soul Good Man’ von Pianist und Produzent Roberto Di Gioia absolut – beste Nummer des Albums! Ansonsten: Pop-Jazz auf hohem spielerischen Niveau erlebt man auf diesem Drittwerk des 22-jährigen Saxophonisten: mal funky, mal soulful und mal klingt’s nach Krimi-Soundtrack. Ich grinse über beide hörenden Ohren. Gute Musik!

Lothar Trampert in Jazzthetik 05-06/2023

RICKIE LEE JONES: PIECES OF TREASURE

,Chuck E’s In Love’ hat jede(r) schon mal gehört. Die wunderbare amerikanische Singer/Songwriterin Rickie Lee Jones (*1954) ist seit ihrem 1979 erschienenen Debüt-Album eine eigenwillige Größe der internationalen Szene. Eine Künstlerin, die schon immer Folk, Jazz, Rhythm & Blues und Pop tangierte, mit bekannten Musikern aller Genres zusammenarbeitete und ihrer einzigartigen Gesangsstimme immer wieder beachtliche Arrangements und instrumentale Farben entgegensetzte. Seit 1989 ist auch die Jazz-Szene auf Rickie Lee Jones aufmerksam geworden, nach einer Grammy-Nominierung folgte ein Jahr später die erste Auszeichnung. Und jetzt endlich ein neues Album: ,Pieces Of Treasure’ wurde an fünf Tagen in New York aufgenommen; neben der Sängerin, Pianistin und Gitarristin waren noch Rob Mounsy (b), David Wong (b), Mark McLean (dr) und der großartige Jazz-Gitarrist Russell Malone in den Sear Sound Studios aktiv – plus einige weitere Gäste an Vibraphon, akustischer Gitarre, Oud, Saxophon und Trompete. Repertoire sind Titel, die man zum „American Songbook“ zählt, populäre Klassiker aus Jazz und Musical. Vom ersten Ton an ist man gefangen von dieser wunderbar swingenden Sängerin, die mit ganz eigenem Sound Standards wie ,There Will Never Be Another You’, ,Nature Boy’, ,Here’s That Rainy Day’ u.a. interpretiert. Ein bisschen mehr Gitarre von Mr. Malone wäre schön gewesen, aber andererseits hat dieses Album eine ganz starke Balance in jeder Hinsicht. Zerbrechlichkeit und Ausdrucksstärke sitzen hier verliebt nebeneinander. Und das können nicht viele Künstlerinnen oder Künstler. Chet Baker hätte dieses Album gemocht, behaupte ich mal. Ich liebe es. lt

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MONIKA ROSCHER BIGBAND: WITCHY ACTIVITIES AND THE MAPLE DEATH

Seit 2011 existiert diese Großformation um Sängerin und Gitarristin Monika Roscher – eine Musikerin, deren künstlerische Offenheit das BigBand-Format aufblühen lässt. Jedes ihrer bisherigen zwei Alben war ein Überraschungspaket, sowohl das überragende Debüt ,Failure in Wonderland’ (2012) wie auch jetzt, sieben Jahre nach ,Of Monsters And Birds’ (2016), dieses neue Werk, das sich beim Hören anfühlt wie ein Trip durch tausend Musikwelten. Im besten Sinne zappaesk, alternativ assoziiere ich Carla Bley oder Sun Ra auf Marschierpulver, oder auch mal Charles Mingus in 3D … – ich bin also sprachlos. Denn genau das alles gab es so noch nie und gibt es auch nicht von sonst wem. Diese Band ist einzigartig, explosiv und umwerfend, was schon vor Jahren auch das US-amerikanische Magazin DownBeat bemerkte und sie als “Rising Star“ listete. Monika Roscher (*1984) studierte Jazz-Gitarre bei Peter O’Mara und Komposition bei Gregor Hübner. Ihre BigBand besteht aus 18 Musikerinnen und Musikern, für die Genre-Grenzen weiterhin ganz eindeutig eher Inspiration als Beschränkungen darstellen. Diese Band und ihre großartige Sängerin & Gitarristin sind auf ,Witchy Activities And The Maple Death’ einmal mehr ein Erlebnis und bekommen zur Höchstwertung noch mindestens einen unsichtbaren sechsten Stern dazu. Genial!

Lothar Trampert in Jazzthetik 05-06/2023

Vor über zehn Jahren habe ich das Debüt-Album dieser Musikerin und ihrer unglaublichen BigBand vorgestellt: ,Failure In Wonderland’ erschien 2012, vier Jahre später ,Of Monsters And Birds’. Sängerin, Gitarristin und Projektleiterin Monika Roscher lässt sich Zeit, und wenn man die Musik ihres aktuellen Albums hört, weiß man warum. Denn ,Witchy Activities And The Maple Death’ ist musikalisch hoch komplex, atmosphärisch aber ein Stück Musik das schwebt, rast, fließt, mal explodiert und sich auch mal in sich zurückzieht. Und eine solche Lebendigkeit erst mal aufs Notenpapier und dann durch 18 Musikerinnen und Musiker schwingend in die Luft zu bekommen, das ist schon ganz große Kunst – von einer CD-Produktion ganz zu schweigen. Das Wort „Jazz“ ist bisher noch nicht gefallen, und es nennt auch nur eine der Musikwelten, durch die Monika Roscher (* 1984) die Hörenden führt. Sie studierte Jazz-Gitarre bei Peter O’Mara und Komposition bei Gregor Hübner – und anscheinend auch alles zwischen Pop und Avantgarde, was bisher in unserem Planetensystem zu hören war. Sie ist eine Künstlerin, für die Genre-Grenzen eher Inspiration als Beschränkungen darstellen. Mal klingt Frank Zappa an, dann wieder Carla Bley, und wenn Monika Roscher singt oder zu einem ihrer originellen Gitarrensoli ansetzt, ist sie wieder in ihrer ganz eigenen Sphäre. Ein absolut spannendes und eigenwilliges Album. Und ein echtes Überraschungspaket. Entdecken! lt

Lothar Trampert in Gitarre & Bass 05/2023

RICHARD BARGEL: DEAD SLOW STAMPEDE

So eine schön designte CD-Verpackung im Doppel-Digipak, mit zwölf eingelegten Blättern, die kleine Kunstwerke sind und die Song-Lyrics und die üblichen Liner-Note-Infos mit sehr gelungenem Grafik-Design und Fotografie verbinden, habe ich noch nicht oft in der Hand gehalten: Daher nenne ich vor den Künstlern die hierfür verantwortliche Künstlerin, Nora Catharina van Rijn, die geminsam mit Fabio Nettekoven das Label Clementine Music betreibt. Im Kölner Maarweg-Studio ist dieses Album entstanden, und Fabio Nettekoven ist als Produzent, Gitarrist, Berater und Freund eine zentrale Figur von ,Dead Slow Stampede’, dem zehnten Werk eines deutschen Blues-Künstlers, Songwriters, Gitarristen, Schauspielers und Originals, der seit einem halben Jahrhundert aktiv ist: Richard Bargel!

Bargels Debüt ,Blue Steel‘ erschien 1977, da war Bargel 26, und das war noch eine sehr rauhe Angelegenheit. ,Dead Slow Stampede’, überwiegend mit Vintage-Equipment aufgenommen von Tobias Thiele, glänzt dagegen mit sehr farbenfrohen Arrangements und Instrumental-Sounds, mit Musik zwischen Blues, Rock, Country-Flair und handgemachtem Singer/Songwriter-Folk. ,Heart Shine Girl’ ist so eine Nummer, in der alles zusammenfindet – mein Highlight des Albums, was Wärme, Ausdruck und Coolness angeht. Neben Richard Bargel am Mikrofon und diversen Gitarre sind hier noch Geert Roelofs (dr) und Jo Didderen (b) zu hören – und Multiinstrumentalist Fabio Nettekoven an allem, was Saiten und Tasten hat. Jetzt wurde das Album nominiert für den Preis der deutschen Schallplattenkritik – und das gleich in zwei Kategorien: Blues und Folk & Singer/Songwriter. Glückwunsch!

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ARNE JANSEN / STEPHAN BRAUN: GOING HOME

Ich liebe originelle Konzepte: Ein Jazz-Gitarrist und ein Cellist spielen Dire Straits. Da haben sich die beiden Mittvierziger Arne Jansen und Stephan Braun wohl von ihrer frühen Jugend inspirieren lassen. ,Going Home’ heißt ihr Album, dessen Grundidee angeblich auf einen Fehlkauf von Gitarrist Arnes Vater zurückgeht: Der hatte während eines Dänemark-Urlaubs Mitte der 1980er-Jahre seinem Sohn vom Flohmarkt nicht die gewünschte „Die drei ???“-Musikkassette mitgebracht, sondern (warum auch immer) ,Love Over Gold’ von Dire Straits. Nein, das war keine traumatische Erfahrung für den damals acht- oder neunjährigen Arne – er liebte dieses Album. „Der Song ,Telegraph Road’ ist der Grund, warum ich angefangen habe, Gitarre zu spielen“, erzählt Jansen, der inzwischen zwei Echo-Awards für seine Jazz-Alben ,The Sleep Of Reason – Ode To Goya’ (2014) und ,Nine Firmaments’ (2017) nach Hause tragen konnte. Auch so etwas hat also Mark Knopfler möglich gemacht.
Für sein neues Album hat Arne Jansen sich jetzt zehn Hits von Mark Knopfler vorgenommen, darunter auch Ikonen wie ,Sultans Of Swing’, ,Money For Nothing’ und eben das wunderbare ,Telegraph Road’ – und er hat etwas Eigenes daraus gemacht, hat wirklich jedes bekannte Lick und Riff irgendwie umgedacht. Eben interpretiert! Sein Duo-Partner Stephan Braun, der neben dem fünfsaitigen Cello in drei Tracks auch Kontrabass spielt, hat mit seinem sehr eigenen Ansatz einen kaum zu unterschätzenden Anteil daran, denn er öffnet der Dire-Straits- & Knopfler-Musik mit seinem eigenwilligen, oft perkussiven Spiel, eine ganz neue, überraschende Klangwelt. Gewagtes Repertoire – gelungene Umsetzung. Und ein originelles Konzept eben. Respekt! lt

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SAMO SALAMON & ASAF SIRKIS: RAINBOW BUBBLES

Und noch eine schöne Entdeckung: Den slowenischen Jazz-Gitarristen Samo Salamon (*1978) kenne ich noch nicht sehr lange – seine beiden im vergangenen Jahr erschienenen Veröffentlichungen ,Pure And Simple’ (mit Arild Andersen/b und Bob Moses/dr) und vor allem sein mit 28 Tracks voluminöser Alleingang ,Dolphyology: Complete Eric Dolphy For Solo Guitar’ haben mich jedenfalls überzeugt, dass hier eine weitere eigenwillige Musikerpersönlichkeit die europäische Gitarrenszene bereichert. Und ein wirklich origineller Saitenkünstler: Auf ,Rainbow Bubbles’ ist Samo Salamon neben der E-Gitarre auch mit Acoustic, Banjos, Bass, Synthesizer und Piano zu hören. Sein spielerischer Partner ist der israelische Schlagzeuger Asaf Sirkis (Soft Machine, John Abercrombie, Gary Husband u.a.), auf dessen Improvisationen dieses im Mai 2022 produzierte Album aufbaut. Die acht zwischen vier und fünf Minuten langen Tracks sind nicht immer eingängig, aber durchweg spannend – und sie haben eine Intensität, die nicht auf lauten Tönen beruht, sondern eher dem Gefühl für kleine Melodien, dezenter Interaktion, schrägen Arrangements und schrulligen Ideen zu verdanken ist. Sympathisch in jeder Hinsicht! Die Musik von Samo Salamon gibt’s bei samosalamon.bandcamp.com. Support your favorite artists! lt

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SCHOENECKER SASSE SCHIEFERDECKER: TRIO TALES

Ich kenne kaum einen lebenden Jazz-Gitarristen, der einen so authentischen Archtop-Sound hat wie Joachim Schoenecker. Dazu kommt seine Stilsicherheit, die er in Soli aber durchaus mit eigener, virtuoser Klangsprache durchsetzt. Das im Dunstkreis von Jim Hall, Pat Martino, Grant Green und Wes Montgomery zu schaffen ist eine mehr als reife Leistung. Genau die kann man auf ,Trio Tales’ erleben, einem an einem Studio-Tag eingespielten Album, das so dermaßen groovt, dass man erst beim dritten Track oder gar nicht merkt, dass hier kein Schlagzeuger im Spiel ist. „Guitar Piano Bass“ steht auf der Rückseite des originell designten DigiPaks – für die beiden letztgenannten Instrumente sind der Kölner Pianist Martin Sasse und Kontrabassist Markus Schieferdecker zuständig, zwei absolute Könner, hervorragende Solisten und sensible Team-Player. Von Sasse stammen vier der Album-Kompositionen, zwei sind von Schoenecker, und die Klassiker-Standards ,Body & Soul’, ,Autumn In New York’ und Thelonious Monks ,Pannonica’ fallen da nicht weiter auf, denn die Atmosphäre, die dieses Trio schafft, die Interpretation, ist einfach stark, organisch, aber nie übergriffig. Hier hört man in jeder Note Respekt vor der Jazz-Tradition, das von drei Musikern, die zu diesem Thema wirklich noch was zu sagen haben.

Markus Schieferdeckers eigenwillig swingende Bass-Linien und seine wunderbaren Soli bilden so etwas wie eine lebendige Achse, was der Musik dieses Trios irgendwie zu noch mehr Dynamik und dezenter Modernität verhilft. Zeitlos gut! Noch mal zurück zum großartigen Gitarrenton: Den zauberte Joachim Schoenecker, der am Conservatorium Maastricht Jazz-Gitarre unterrichtet, auf diesem neuen Album mit einer Gibson ES-175 von 1979, einem Fender Princeton Reverb Blackface Reissue, der von Tonehunter Ralf Reichen mit einem 12“-Speaker bestückt wurde, außerdem waren Vovox-Kabel und BlueChip-Picks im Einsatz. Ende der Nerd-Infos – und jetzt bitte dieses Album anhören!

Lothar Trampert. Jazz-Album des Monats in Gitarre & Bass 05/2023

Pianist Martin Sasse, Gitarrist Joachim Schoenecker und Kontrabassist Markus Schieferdecker. Nicht im Bild ist die Fotografin Lena Semmelroggen ;-)

Diese Trio swingt unglaublich! Und in der Musik von Gitarrist Joachim Schoenecker, Pianist Martin Sasse und Markus Schieferdecker am Kontrabass zeigt sich einmal mehr, dass gekonnt und intelligent interpretierter, straight ahead Mainstream Jazz zeitlos ist. Von Sasse stammen vier der Album-Kompositionen, darunter der ,Groovy Waltz’, ein echter Ohrwurm, der alle Beteiligten zu spannenden Soli inspiriert. Bei diesem transparenten Stück zeigt sich ganz besonders auch die klangliche Qualität der Aufnahme von Klaus Genuit aus dem Bonner Hansahaus Studio, bei der sich sofort der ideale „Live im Abhörzimmer“-Effekt einstellt. Joachim Schoenecker hat zwei weitere Eigenkompositionen beigesteuert, die mit seinem Solo über ,Autumn In New York’ und den Standards ,Body & Soul’ und ,Pannonica’ absolut harmonieren. Perfektion strahlt auch Schoeneckers Gitarrenton aus, der die klassische, leicht holzige Lebendigkeit von Wes Montgomery mit der warmen Eleganz von Jim Hall verbindet. Dieses an einem Studio-Tag eingespielte Album ist aus einem Guss, und es vermittelt das Erlebnis eines perfekten Sets. Bassist Markus Schieferdeckers Rolle in diesem Trio ist dabei kaum zu überschätzen, denn seine dezenten Linien tragen und verbinden so intensiv und dynamisch, wie seine Solo-Spots aufblühen und berühren. Neben dem Sound-Design ist auch die grafische Gestaltung des schönen DigiPaks von Katerina Trakakis & Svenja Wittmann absolut gelungen. Intensiv!

Lothar Trampert in Jazzthetik 05-06/2023

ACHIM SEIFERT PROJECT: DÜNYALAR

Achim Seifert, 1985 als Sohn eines türkischen Schlagzeuger geboren, ist einer der Bassisten, die mit tiefem Ton tragen, grooven und trotzdem noch intensive melodische Parts beisteuern können. Und er war der erste E-Bassist, der die „Künstlerische Ausbildung“ an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover absolvierte, ging mit 22 Jahren und einem Stipendium in der Tasche ans Berklee College of Music in Boston und veröffentlichte 2012 sein Debüt-Album ,Plans To Wake Up On The Beach’. ,Dünyalar’ ist Achim Seiferts viertes Album, und gemeinsam mit Roman Rofalski (kb), Konrad Ullrich (dr) und Leonard Huhn (sax) nähert er sich in acht Stücken seinen Wurzeln an. Fünf Themen kommen aus der türkischen Folklore. Ungerade Taktarten und diffizile rhythmische Spezialitäten werden hier aber nicht als Angeberspielwiese präsentiert, sondern klingen organisch, fließen, grooven … Anders ausgedrückt: als 4/4-sozialisierte Eifel-Kartoffel hätte ich das garnicht bemerkt. Alles harmoniert, wirkt leicht, und eigentlich sind auch die drei Eigenkompositionen integrer Teil des Ganzen. Insgesamt kommt ,Dünyalar’ absolut cool rüber, musikalisch homogen, mit sympathischem Flow. Das Lineup vervollständigen Flötist Sarpay Özcagatay und die Geigerin Mona Burger, die diesem gelungenen Album weitere Farben schenken. Als anerkannter, hoch sensibler Ethno-Jazz- und Weltmusik-Klischee-Allergiker keinerlei negative Reaktion zu zeigen, spricht für diese schöne Musik. Und ob sich der in Hildesheim geborene „halbdeutsche Achim“, der übrigens einen amerikanischen E-Bass von Michael Tobias Design spielt (den MTD USA 535-24) das alles jetzt mit seiner Germanen-Combo kulturell aneignen darf oder nicht, sollen die Zeitgeist-Stasi und die Pseudo-PC-Mullahs bitte auf dem Mond diskutieren. Ich kann den Quatsch nicht mehr hören! Denn wenn ich so ein wunderbares, echtes, berührendes Album erlebe wie ,Dünyalar’, dann weiß ich, dass es noch denkende, fühlende, liebende Menschen gibt, die leben, dass Kultur zum Teilen da ist. Jazz-Müzik! lt

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MEHDI CHAMMA: LAYLA WA BAHR

Da knallt einem aber eine ganz fette Packung aus den Boxen entgegen: Gitarrist, Komponist und Sänger Mehdi Chamma stammt aus Marokko, und er hat die nordwestafrikanische Musikkultur, mit der er aufwuchs, mit Jazz und Rock bekannt gemacht und eine sehr individuelle Crossover-Variante kreiert. Zur Gitarre kam er über einen am Strand spielenden Touristen, das Instrument faszinierte ihn und er suchte sich einen Lehrer. Nachdem er von 2006 bis 2015 als Sideman diverser afrikanischer Künstler unterwegs war, zog Mehdi nach Wien, wo er Jazz und Popularmusik studierte. ,Layla Wa Bahr’ heißt sein Album, übersetzt „Nacht und Meer“, und in den acht Tracks ist er gemeinsam mit Posaunist & Trompeter Jakob Mayr, Keyboarder Erik Asatrian sowie Bassist Michael Acker und Drummer Walter Sitz zu hören. Neben diversen Gitarren spielt Mehdi Chamma auch die dreisaitige Guembri, ein traditionelles pentatonisches Instrument; als E-Gitarrist ist er von Funk, Blues, Santana und Wüsten-Rockern wie Tamikrest, Bombino, Irmahan oder Tinariwen beeinflusst. Und in einigen Tracks ist der Gitarrist auch als Sänger zu erleben, so z.B. im jazzigen Titel-Song des Albums, das an vielen Stellen schon fast BigBand-Power hat. Ein spannender Künstler. Besuche mehdichamma.bandcamp.com lt

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JOE KRIEG QUARTET FEAT. NILS WOGRAM: BEAU GOSSE

Einer meiner Lieblingsgitarristen hat ein neues Album am Start: Aus Dettelbach bei Würzburg kommt das neue Werk des Jazz-Gitarristen und Komponisten Joe Krieg (* 1974). ,Beau Gosse’ hat er gemeinsam mit Posaunist Nils Wogram, Uli Kleideiter am Schlagzeug, Bassist Simon Ort und Pianist Matthias Bublath bereits Ende 2021 aufgenommen und jetzt endlich veröffentlichen können. Seit seinem Debüt ,Anadulphs Traum‘ (2009) verfolge ich die Arbeit dieses Jazz-Musikers, und das neue vierte Album seines Quartetts, nach ,Goldmund’ (2011) und ,Homegrounded’ (2016) hat noch mal an Energie, Virtuosität und Brillanz zugelegt. Power-Player Matthias Bublath, der es am Piano auch schon mal barock angeht um ein paar Takte später fette McCoy-Tyner-Bretter zu legen, und der expressive Gast Nils Wogram an der Posaune sind dafür mitverantwortlich. Ibanez- und Sonntag-Gitarren-Endorser Joe Krieg selbst überzeugt weiter mit einem Mix aus spielerischer Eleganz, fast zurückhaltender Begleitung und straighten Soli, die sich oft dynamisch aufbauen und die Band mitziehen. Sein dezenter, warmer Ton mit wenig Hall erinnert mal etwas an die frühen Aufnahmen von Pat Metheny, vom spielerischen Ansatz scheint mir Krieg aber Mick Goodrick und der ruhigeren Saite von Pat Martino näherzustehen – ganz großartig zu erleben im balladesken ,Port Henning’ oder dem schönen ,Frére Jacques’ mit sehr coolem Groove von Drummer Uli Kleideiter und Bassist Simon. Ein wirklich schönes, ruhiges Jazz-Album. lt

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MALTE VIEFS KAMMER: III

Den Gitarristen & Komponisten Malte Vief und sein Projekt “Kammer” habe ich schon mehrfach vorgestellt. Jetzt hat der Crossover-Künstler aus Leipzig sein drittes Album vorgelegt, bei dem er wieder mit vielen verschiedenen akustischen Gitarren zu hören ist – die sind alle in den Liner-Notes des CD-Digipak aufgelistet, was neugierige Musikerkollegen und Gitarren-Nerds freuen dürfte. Begleitet wird er von sechs Solisten an Cello, Violinen, Kontrabass, Mandoline und Piano. Malte Viefs instrumentaler Mix aus klassischen und barocken musikalischen Elementen, Fingerstyle-Gitarre und etwas Soundtrack-Flair ist auch diesmal wieder unterhaltsam und entspannend zugleich. Und manchmal rockt dieses Jazz-Ensemble sogar ein bisschen und der Kontrabass sägt wie eine tiefgestimmte Metal-Gitarre. Cool und sehr originell! lt

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ALI FARKA TOURÉ: VOYAGEUR

Der bereits 2006 verstorbene Gitarrist und Sänger Ali Farka Touré stammt aus Mali, gehört zu den legendären Vorreitern des Desert-Blues und ist bis heute einer der bekanntesten Musiker Afrikas. Das amerikanische Rolling Stone Magazine zählte ihn mal zu den einhundert besten Gitarristen aller Zeiten, was vor allem seiner kulturellen Bedeutung auf diesem Riesenkontinent gerecht wird. Auf dem Label World Circuit Records erscheint mit ,Voyageur’ jetzt bisher unveröffentlichtes Material von Ali Farka Touré, das auf Vinyl, CD und digital erhältlich sein wird. Neben Band-Aufnahmen mit E-Gitarre und einem Acoustic Track sind auch drei Stücke mit der malischen Sängerin Oumou Sangaré zu hören, inzwischen eine weltweit erfolgreiche afrikanische Künstlerin. Beim Hören dieser Musik wird man selbst zum Reisenden in eine ganz eigene Klangwelt, hin zu einer Musik, deren Groove einfach mitreißt und eine ganz besondere Intensität erleben lässt. Wir kenne den afroamerikanischen Blues, der aufgrund eines großen Verbrechens gegen die Menschlichkeit entstanden ist. Hier ist die afrikanische Variante, von Nachfahren der nicht verschleppten Völker. Diese neu zu entdeckenden Songs aus dem Archiv von Produzent Nick Gold sind über einen Zeitraum von 25 Jahren entstanden und sind ein guter Einstieg in die musikalische Welt des Ali Farka Touré. lt

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TEEMU VIINIKAINEN: SONGS OF SILENCE 

Warmer Jazz-Gitarrenton, ein sensibel spielender Solist, jede Note hat ein Eigenleben, um sich im nächsten Moment in ein großes Ganzes einzureihen – da denkt man an Jim Hall. Und der finnische Gitarrist Teemu Viinikainen, geboren 1975, hat wirklich einiges vom legendären Meister des kammermusikalischen Saiten-Jazz gelernt. Wie Hall in seinen späten Jahren setzt auch er dezent elektronische Effekte ein: Reverb, Delay, Modulation, Looper. Seit 2004 hat er neun Alben unter eigenem Namen eingespielt, daneben noch eine Menge Produktionen als Sideman absolviert, meist mit finnischen Musikern. ,Songs Of Silence’ präsentiert fast ausnahmslos Fremdkompositionen, die Teemu Viinikainen auf ganz eigene Art interpretiert. Und so bekommen Tracks wie ,Ask Me Now’ und ,Evidence’ von Thelonious Monk, Stings ,Tea In The Sahara’, Chick Coreas ,Windows’ oder der Charles-Mingus-Klassiker ,Goodbye Pork Pie Hat’ hier wirklich neue Leben. Viinikainen arbeitet mit Flageolett-Tönen, Saitengeräuschen, kombiniert auf sehr originelle Art lineares und akkordisches Spiel und überrascht immer wieder mit meist sparsam eingesetzten Klangeffekten. Aber vor allem stimmt die Basis: Denn Teemu Viinikainens Spieltechnik, seine Voicings, sein Fingerstyle sind einfach erstklassig und verbinden spielerische Ökonomie und Klarheit mit maximalem musikalischem Ausdruck. Ein wunderbar relaxtes Gitarren-Album.

Lothar Trampert / Jazzthetik

Die Musik dieses Solo-Albums ergreift sofort Besitz, berührt mit warmem Jazz-Gitarrenton, ist sparsam und raumfüllend zugleich. Und schon im Intro des ersten Tracks outet sich der finnische Musiker Teemu Viinikainen, geboren 1975, ohne Frage als Jim-Hall-Fan. Dabei findet er aber eigene Wege aus dem großen Schatten des Meisters und setzt auch mal elektronische Effekte ein. Wobei er die Anteile von Raum-Effekten und Modulation sehr dezent hält, wie auch den Einsatz von Loops. Teemu Viinikainen, der seit 2004 neun Alben unter eigenem Namen eingespielt hat, ist auf ,Songs Of Silence’ mit acht Fremdkompositionen zu hören, darunter ,Ask Me Now’ und ,Evidence’ von Thelonious Monk, Stings ,Tea In The Sahara’, Chick Coreas ,Windows’ und der Charles-Mingus-Klassiker ,Goodbye Pork Pie Hat’. Die interpretiert er extrem laid back, sympathisch warm und ausdrucksstark, mit kraftvollen Linien und dezenten Akkorden, mal sparsam, mal mit beachtlicher Technik – immer im Dienst des Songs. Viinikainen Kombination von mit Plektrum angeschlagenen Linien und mit Fingerstyle eingestreuten Akkorden ist einfach großartig und für ein im Alleingang eingespieltes Album eines Gitarristen, hört man hier sehr lebendige Musik. Schöne, relaxte, unberechenbare Gitarrenklänge in einer hervorragend klingenden Aufnahme. Mehr davon unter www.teemuviinikainen.com lt

lothar trampert / http://www.paleblueice.com

CHRISTINA ZURHAUSEN: SEE YOU IN THE TREES

Als ich die in Köln lebende Gitarristin Christina Zurhausen zum ersten Mal live mit ihrem Quartett “Rinze’s Correlation“ erlebte, dachte ich nur: Endlich mal ein Gitarren-Stil, -Sound, -Ansatz, bei dem nicht sofort im Hörerkopf sieben “Habe ich schon irgendwo und irgendwie mal gehört”-Schubladen aufgehen. Und wenn man die junge Frau aus dem Ruhrpott mit ihrer D’Angelico-Solidbody, vor einem Vox-Amp und hinter ihrem Effektboard stehend, konzentriert arbeiten sieht, immer im Kontakt zu ihren Mitspielenden, eine unkonventionelle Lick- oder Voicing-Ladung nach der anderen raushauend, dann jagt eine Überraschung die nächste. 

Christina Zurhausen hat in Köln und Osnabrück studiert, u.a. bei den Gitarristen Joachim Schoenecker, Frank Wingold und Philipp van Endert, außerdem bei der großartigen Saxophonistin Angelika Niescier. Von 2014 bis 2018 arbeitete sie mit der Peter Herbolzheimer European Masterclass Big Band zusammen, heute ist sie Dozentin für Gitarre und Bands an der Offenen Jazz Haus Schule in Köln.

Ihr Background ist so bunt wie ihr Spiel: Nirvana, Slime, The Doors, Queens Of The Stone Age, Sonic Youth und Rage Against The Machine waren ihre Helden, bevor sie mit Anfang 20 ein Album des Jazz-Gitarristen John Abercrombie hörte, dessen Musik sie faszinierte. Beim Weiterhören entdeckte sie Thelonious Monk, Ornette Coleman, Bill Evans, Bill Frisell und die drei Johns Scofield, Zorn und Coltrane. In ihrem 2015 gegründeten Jazz-Grunge-Quartett „Ausfahrt“ findet einiges davon zusammen – Rock-Energie, Grunge-Sound, Jazz-Freiheit. 2018 erschien das Debüt-Album ,Vergessene Möglichkeiten‘, 2021 folgte ,The End Of The World‘. 

Und jetzt ist Christina Zurhausen alleine am Start: ,See You In The Trees‘ ist ihr erstes Solo-Album – Gitarre, Effekte, Loops, Improvisationen und zwei kleine, schräge Gesangs-Überraschungen. Was hier musikalisch passiert, ist schwer zu fassen: Meist hört man cleane E-Gitarren-Sounds, etwas Hall und der Looper wird zum freien Spiel mit sich selbst eingesetzt. Dann kommt doch mal eine übersteuerte E-Gitarre mit Feedback ins Spiel, schräge Geräusche und String-Scratching mit dem Plektrum. Wo hier Improvisation aufhört und Konzept oder Komposition anfängt ist unklar, spielt aber auch keine Rolle bei diesem Trip durch eine ganz eigene Klangwelt. Christina Zurhausens Musik ist abstrakt, findet jenseits von klassischer Jazz-Harmonik und -Rhythmik statt, fließt einfach los, ohne dem Hörer oder der Hörerin formale Orientierungspunkte zu liefern. Nicht immer einfache Musik, andererseits aber von einer Wärme und leisen Intensität durchzogen, wie man sie nur selten erlebt. ,Unterm Rad’ heißt das letzte Stück dieses einzigartigen Albums, eine, kleine traurige Instrumentalballade von einer im Hallraum versinkenden Gitarre – wie ein Song von Mazzy Star. Und ganz viel von diesem Album hat Soundtrack-Flair: Sollte mal ein Remake von “Blair Witch Project” anstehen, bitte Christina anrufen – sorry, Tony Cora.

Live auf der Bühne hat Christina Zurhausen dann aber auch noch Humor, und ihre sympathischen Ansagen haben Helge-Schneider-Potenzial. Irgendwie passt das alles nicht zusammen, vor allem in keine Schublade, aber gerade deshalb ist die Musik dieser Künstlerin etwas ganz Besonderes – echt und aus dem Leben.
Kontakt: www.christinazurhausen.com lt

JOHANNES HAAGE DRIFT: WINGS

Einen sehr klarer Gitarrenton mit feinen akustischen Anteilen und einer entspannten Melodie hört man im ersten Track von Gibson-Howard-Roberts-Spieler Johannes Haage, darunter ein sehr agiler Kontrabass von Matthias Pichler und Joe Smiths mal verspieltes, dann schon fast nervöses Schlagzeug. ,Wings’ kommt in einem sehr schön designten DigiPak und ist nach ,Drift’ (2015) und ,Darwin’s Blues’ (2019) das dritte Album von „Johannes Haage Drift“, wie das Trio mit vollem Namen heißt. Ein Deutscher, ein Österreicher und ein Amerikaner treffen sich in Berlin und spielen hier relativ schwer einzuordnende moderne Musik, die weder nach zeitgenössischem amerikanischen New Jazz, noch klar nach europäischer ECM-Tradition klingt. Wobei man ab und zu schon mal ein bisschen an Mick Goodrick, weniger an Bill Frisell und etwas an Ben Monder erinnert wird. Johannes Haage ist u.a.a. als Dozent des Curricular Music Programs an der Berlin Brandenburg International School tätig und hat vor kurzem bei MelBay auch noch  Lehrbuch „Voice Motion. Melodic Movement within Three-Part Harmony“ veröffentlicht. Weitere Infos: www.johanneshaage.com lt

AXEL KÜHN TRIO: LONELY POET

Kontrabassist Axel Kühn, Pianist Ull Moeck und Schlagzeuger Eckhard Stromer sind ein gutes Team. ,Lonely Poet’ ist ihr viertes Album. Die Musiker verstehen ihre Kunst als Mischung aus Jazz, Pop, Rock und Weltmusik – ich höre auf diesem Album zeitgenössischen, swingenden, groovenden Jazz, der sich hier und da mal ein paar Effekte und Sounds leistet, ansonsten aber nicht weit von bekannten Post-E.S.T.-Piano-Trio-Formaten abschweift. Mit einem Unterschied: Denn der Bandleader ist hier, fein dosiert, auch mal mit Gitarre, Synthesizer oder Vocoder zu hören, was der Musik zusätzliche Farben und viel Abwechslung verleiht. Das gilt auch für den Guest-Spot von Trompeter Sebastian Studnitzky im Titel-Track des Albums, wobei mein Highlight hier das Bass-Solo des Bandleaders ist. Seine Klasse beweist Axel Kühn in jedem Track, aber diese Lead-Spots, wie auch im Intro von ,Human Machine’ oder dem finalen ,Just A Little Melody’ glänzen besonders. Und so weiß man am Ende dieses gelungenen Albums, dass das Trio aus Süddeutschland der Kombination Bass/Drums/Piano doch einiges an eigenem Leben eingehaucht hat. Das Album gibt’s auch auf Vinyl bei www.axel-kuehn.com lt 

ANDREAS HEUSER / JAN BIERTHER: WINDY CITY

Das ist ja mal ein echtes Gitarren-Album von und für Gitarristen: Während Jan Bierther durchgehend im rechten Stereokanal mit seiner 1967er Gibson L7C zu hören ist, tönt Kollege Andreas Heuser von links mit zwei Godin Multiacs (Jazz und Nylon SA), einer Hanika Fusion PC und einem 8string-Modell von Albert & Müller. Das sehr schön gestaltete DigPak verrät noch ein paar Details mehr über die beiden sympathischen Künstler, deren Musik eine wunderbare Leichtigkeit hat und mit ihren vielen Saitenfarben zwischen Steelstring, klassischer Gitarre und Jazz-Archtop nie langweilig wird. Das Duo bedient sich im Folk, Jazz, Latin, Flamenco und in der Klassik, fusioniert alles zu einem eingängigen Sound, der aber Seele hat. Beste Beispiele sind die etwas an Volker Kriegel erinnernden Stücke ,On The Train’ und ,Usignolo’; der deutsche Jazz-Rock der 1970er- und 80er-Jahre hat Spuren hinterlassen. Bei Andreas Heuser und Jan Bierther gibt es keinen Wettbewerb, keine Technik-Olympiade, keine Effektheischereien – hier spielen zwei Gitarristen ihre Musik, handwerklich gelungen, absolut unterhaltsam. Instrumentale Pop-Musik im besten Sinne, und acht gelungene Tracks, die gute Laune machen. Können wir alle gebrauchen. Kontakt: www.andreasheuser.com lt

Yasi Hofer BETWEEN THE LINES


YASI HOFER: BETWEEN THE LINES

Sie hat ein Menge Fans: Denn Yasi Hofer, 1992 in Ulm geboren, ist eine großartige Gitarristin. Mit 12 wechselte sie von der Geige zur E-Gitarre, mit 14 holte ihr Idol Steve Vai sie bei einem seiner Deutschlandkonzerte auf die Bühne. Zwei Jahre später begann Yasi via Begabtenprüfung ein Studium an der Musikhochschule Stuttgart, anschließend ging sie mithilfe eines Stipendiums nach Boston ans Berklee College of Music. Drei eigene Alben hat sie bisher veröffentlicht – ,Yasi’ (2014), ,Faith’ (2016) und ,Freedom’ (2018) – und seitdem gehört sie zur Oberliga der europäischen Gitarrenszene. Sie ist eine vielseitige und offene Künstlerin, und so habe ich mich nicht gewundert, dafür aber sehr gefreut, als Yasi Hofer 2022 in den Live-Bands von Helene Fischer und den wiederbelebten No Angels auftauchte. Beste Jobs in einer schwierigen Zeit für Musikerinnen und Musiker.
Mit ,Between The Lines’ hat die Gitarristin und Bandleaderin jetzt endlich wieder ein eigenes Album am Start, mit eigenen Songs und Instrumentals, die sie überwiegend mit ihren Mitmusikern Jens Golücke (dr) und Steffen Knauss (b) eingespielt hat. Vier Tracks wurden teils in Los Angeles von Mike Plotnikof aufgenommen, mit Taylor Carroll am Schlagzeug. Los geht’s mit ,Moments’, einem klassischen Heavy-Rocker mit melodischem Gitarrenthema, aus dem sich ein virtuoses Solo entwickelt. Nach diesem Instrumental folgt mit ,Foreign Land’ ein Song: Ja, die Gitarristin Yasmin Hofer hat eine wirklich coole und gereifte Stimme, die sehr echt rüberkommt – und dem konventionellen Rock-Song gegen Ende dann noch eine ganz eigene Wendung gibt. Wirklich gut! ,Sparkles’, ,Thoughts’ und ,Springtime’ sind klassische E-Gitarren-Instrumentals mit schönen Gitarrenfarben – im Satriani/Vai-Genre wurde aber schon lange alles gesagt, getan, gespielt, denke ich manchmal.
Aber dann der Titel-Track des Albums: ,Between The Lines’ ist ein sehr gelungener Song mit schwebenden Gitarren, hypnotischem Drum-Groove und einem Prog-Rock-Refrain, an den sich sehr schöne Licks und später ein Solo anschließen. Hier wirkt alles absolut authentisch, organisch und rund – ohne Frage einer der überzeugendsten Album-Tracks. Das monumentale Instrumental ,The Maze’ kann da noch fast mithalten, wirklich überraschend gelungen ist dann aber der ebenfalls instrumentale Blues-Rocker ,RAM’, in dem Yasi Hofer über alle Grenzen spielt und macht was sie will. Und dann das dark-proggig-speedige ,Violet’ – ein echter Gitarrenkracher! ,Devil On The Rise’ überzeugt dann endgültig, wieder mit einer wirklich coolen Gesangsstimme, großartigen Gitarren-Parts und einer intensiven, bedrückenden Atmosphäre. Progressive Metal!
Der Acoustic-Track am Ende des Albums zeigt, was diese Musikerin genauso gut kann, und diese eigenwillige, dezent countryeske Americana-Singer/Songwriter-Nummer ist wirklich gelungen. Hoffentlich ruft da mal nicht demnächst jemand aus Nashville oder Austin an – ich möchte gerne vorher noch mein Yasi-Prog-Rock-Album. Fazit: Weiterhin eine spannende Künstlerin – mit unerwarteten Perspektiven! lt

Yasi Hofer hat mit diesem Album ein paar spannende Wege aufgezeigt, die sie in Zukunft noch mit uns und ihrem Trio (mit Drummer Christoph Scherer und Bassist Steffen Knauss) gehen wird. Das Album kann man direkt bei der Erzeugerin kaufen, und bei diesem schön gestalteten DigiPak mit dickem Booklet lohnt sich das wirklich! Hier geht’s zum Shop!

MAREILLE MERCK LARUS: STILLE WASSER

Die ersten Töne dieses sehr räumlich aufgenommenen Albums fühlen sich an, wie wenn man auf eine offene Proberaumtür zugeht. Ein paar ruhige, transparente Stratocaster-Sounds dezentes Schlagzeug, und dann geht’s los. Mareille Merck, 1996 in Stralsund geboren, greift in die Saiten, im wahrsten Sinn des Wortes. Ihr Fingerstyle-Ansatz verwebt mühelos fette Singlecoil-Lines mit Double-Stops und kräftigen Akkorden, bei denen stilistisch wie klanglich die Grenzen zwischen Rock, Jazz, Blues und dem Rest der Musikwelt verschwimmen.
Die in der Schweiz lebende Musikerin hat u.a. bei Lionel Loueke, Wolfgang Muthspiel, Frank Möbus, Kalle Kalima und Roberto Bossard Gitarre studiert. Mit ihrem Trio-Projekt Larus interpretiert Mareille Merck eigene Kompositionen; 2021 erschien das Debüt-Album ,Fadenschlag’, eine Nominierung für den ZKB-Jazz-Preis und Arbeitsstipendiem der Stadt Zürich zur Unterstützung ihrer Arbeit an künstlerischen Projekten, folgten.
Gemeinsam mit Kontrabassist Florian Bolliger und Schlagzeuger Janic Haller hat sie ,Stille Wasser’ eingespielt, ein Album, das vom ersten Ton an mit sehr plastischem Live-Sound punktet und musikalisch vom sehr eigenen spielerischen Ansatz der Gitarristin lebt, die sich, wie z.B. in Kap Arkona’ immer wieder in eigenwillige Singlenote-Linien und Repeating-Patterns steigert, die mal in fette, mal zurückhaltende Akkorde oder Arpeggios münden, um dann zum jeweiligen Thema zurückzufinden. Die schönen cleanen Gitarren-Sounds mit Hall lassen die Feinheiten ihres Stils am besten erkennen, was in einem Track wie ,Nebula’ besonders gut rüberkommt. Und man sollte sich auch mal Mareilles Videos anschauen, denn was sie da mit den sechs Saiten ihrer Stratocaster anstellt, ist schon ganz besonders. Weitere Infos: www.mareillemerck.com lt / G&B

Eine schon rein akustisch ansprechend produzierte Aufnahme kann Türen öffnen. Beim ersten Anhören von ,Stille Wasser’, dem zweiten Album der in der Schweiz lebenden und arbeitenden Gitarristin aus Stralsund, fühlte ich mich förmlich in die Musik hineingezogen. Innerhalb dieser virtuellen Räumlichkeit geht die 1996 geborene Mareille Merck sehr eigene Wege auf ihrem Instrument. Sie revolutioniert zwar nicht die bisherigen Spieltechniken, mischt sie aber ordentlich durch und setzt auch folkiges Fingerpicking und funky Licks in einem sehr jazzigen Kontext ein. Unterstützt wird sie dabei von Kontrabassist Florian Bolliger und Schlagzeuger Janic Haller, die mal zurückhaltend tragen, dann aber auch mal konterkarieren und so spannende Kontraste erzeugen. Anspieltipps sind das sehr originelle und abwechslungsreiche ,Kap Arkona’ und das raue, mit verzerrter E-Gitarre interpretierte ,Hit The Mark’.  Mareille Merck hat bei Gitarristen wie Lionel Loueke, Wolfgang Muthspiel, Frank Möbus, Kalle Kalima und Roberto Bossard studiert und nach ihrem 2021 erschienenen Debüt ,Fadenschlag’ diverse Nominierungen und Stipendien erhalten – diese Förderung hat sich gelohnt. Eine interessante junge Künstlerin.

Lothar Trampert / Jazzthetik

RUPI: IMMER SPASS AUF DEN BACKEN

Der Album-Titel klingt irgendwie beunruhigend nach Ruhrpott-Comedy, finde ich – und daher stellte sich nach den ersten Minuten Musik ein ganz breites Grinsen ein: Relaxter, funky Crossover-Groove mit originellen Bläser-Arrangements, Percussion, geschmackvollem Keyboard-Einsatz, und darunter wirbelt ein Jazz Bass im bekannten Sound, wobei man nie weiß, ob er jetzt gerade mal zu einem Solo ansetzt oder einfach nur die Musik mit komplexen Pattern trägt. Oder beides tut. Der Bandleader und Mann am Bass heißt Wolf-Ruprecht Schwarzburger, kurz Rupi, und ,Immer Spass auf den Backen’ ist sein drittes Album auf dem Düsseldorfer Label Jazzsick. Rupi spielt auch hier wieder, wie schon auf seinem 1999er Debüt ,Die Sonne’, dass 2019 neu aufgelegt und hier vorgestellt wurde, knackige Instrumentals. Eigenkompositionen in Arrangements zwischen Jazz, Funk, Pop und Rock. Neben Bassist Schwarzburger sind noch Fares Naber (kb), Sameh Mina (dr), Selman Sezek (darbuka), Yavuz Duman (tp/flh), Thorsten Heitzmann (tb) und Reiner Witzel (sax) zu hören, und oft kommt ihr explosives Zusammenspiel wie eine absolut gelungene, gut gelaunte Jam-Session rüber, die einfach nur entspannt groovt. Ein Album, das Spaß macht. Tipp zum Weiterhören: ,Das Konzert Album’ von Rupi ist ein feiner Live-Mitschnitt vom August 2021, in dem man die o.g. Musiker in Höchstform erlebt. Mehr Infos & Musik: www.schwarzburger.com lt

Isabelle Bodenseh Flowing Mind

ISABELL BODENSEH: FLOWING MIND

Isabelle Bodenseh ist Jazz-Flötistin und arbeitet in vielen verschiedenen Projekten, ist als Theater- und Studio-Musikerin aktiv und hat an mehr als dreißig Album-Produktionen mitgewirkt. Nach ihren letzten drei Produktionen unter dem Projektnamen „Jazz à la flute“, die sie mit dem großartigen Gitarristen Lorenzo Petrocca einspielte, ist jetzt mit ,Flowing Mind’ formell das Solo-Debüt der Flötistin erschienen, bei dem Bodenseh & Petrocca von Organist Thomas Bauser und Lars Binder am Schlagzeug unterstützt werden. Was direkt beim ersten Track auffällt ist, dass hier erstklassige Band-Player am Start sind – alle Beiträge sind präsent, drängen sich aber nie nach vorne sondern ziehen das Ganze nach oben. Nach wenigen Takten ist dann im Album-Opener ,ConFluting’ eine warme, tiefe Flötenstimme zu hören, die sich über dezente Hammond-Chords legt – und bei beiden Instrumenten kann man direkt mal alle Vorurteile vergessen. Die Bass-Querflöte ist, neben der normalen C-Flöte, noch in mehreren Stücken von ,Flowing Mind’ zu hören, und sie harmoniert perfekt mit Gitarrist Lorenzo Petrocca, der mit dem warmen Ton seiner Archtop tolle Soli beisteuert. Swingender, harmonischer Mainstream-Jazz, Latin, Soul-Grooves können immer noch spannend sein, wenn sie mit Feeling interpretiert werden. Und das haben Isabelle Bodenseh, Lorenzo Petrocca, Thomas Bauser und der großartig tragende Drummer Lars Binder absolut drauf. Ein gelungenes Album (im DigiPak mit Booklet) und ein Live-Tipp. Weitere Infos: www.isabellebodenseh.de lt

JOHN SCOFIELD: INSIDE SCOFIELD

Nein, ich stelle kein neues Album von John Scofield vor – sondern ein Filmdokumentation des deutschen Produzenten Joerg Steineck, in der er den mittlerweile 71-jährigen amerikanischen Jazz-Gitarristen erzählen lässt. Da ich selbst seit Ende der 70er-Jahre absoluter Scofield-Fan bin und seitdem jedes Album, jede Kooperation und jede Tour verfolgt habe, spüre ich eins sofort: Diese Dokumentation ist mit Liebe, Respekt und Feeling gemacht, und ich tippe mal, dass Jörg Steineck ein mindestens so großer Sco-Fan ist wie ich. Denn er hat Bilder geschaffen, die zu diesem Musiker und Menschen passen, hat ihn von Begegnungen, Berührungen, Herausforderungen und Inspirationen erzählen lassen und hat einfach sensibel zugehört. Die 88 Minuten dieser Dokumentation zeigen John Scofield auf Tour, mal im Bus, dann im Zug, mal im Club, dann aber auch zu Hause mit der Akustikgitarre, mal witzig, mal sehr nachdenklich – und immer absolut menschlich. John Scofield zeigt hier auch seine sensible Seite, wirkt dabei sehr offen, erzählt von Ibanez und seiner Gitarre, davon dass seine Frau und Managerin Susan eher kamerascheu ist, von seinen Begegnungen mit Miles Davis und Charles Mingus, und vieles mehr. Diese großartige Dokumentation ist ein Muss für Scofield-Fans. Sie ist als DVD und Stream erhältlich, die Film-Sprache ist Englisch, zuschaltbare ebenfalls englische Untertitel helfen beim Verständnis. Und dann ist da noch Scofields Musik: Neben kürzeren Ausschnitten verschiedener älterer Produktionen ist immer wieder die vom 1988 erschienenen Album ,Combo 66’ bekannte Besetzung mit Pianist & Organist Gerald Clayton, Bassist Vicente Archer und Drummer Bill Stewart live zu erleben. Das Album habe ich dann nach der Doku noch mal gehört – und am nächsten Abend noch mal ,Inside Scofield’ angeschaut. Absolut gelungen – und so faszinierend und berührend wie das Gitarrenspiel dieses legendären Jazz-Musikers. Hier gibt’s die DVD und den Stream: scofield.joerg-steineck.com lt


JO AMBROS: HOW MANY TIMES

Ein Jazz-Gitarrist mit einem Statement: Denn die sieben Tracks auf Jo Ambos’ Album haben alle etwas mit dem Wunsch nach Frieden zu tun, mit der verlorenen Leichtigkeit, die wir vielleicht erst erkannt und zu schätzen gelernt haben, seit immer wieder schlechte Nachrichten unsere Tage beenden und beginnen. Es sind Protestsongs aus den USA, Frankreich und Spanien. Pete Seegers ,Where Have All The Flowers Gone’, Billie Holidays ,Strange Fruit’, John Lennons ,Give Peace A Chance’ …. der 1973 in Böblingen geborene und heute in Berlin lebende und arbeitende E-Gitarrist interpretiert hier instrumental, mit cleanem Ton, leicht surfigem Touch und im Fall von Bob Dylans ,Blowing In The Wind’ auch nicht ganz humorfrei.
Jo Ambros hat Jazz- und Popularmusik studiert, mit Max Raabes Palastorchester, Jazzanova, den Bremer Philharmonikern, Bosse, dem Ensemble Modern, Max Herres Freundeskreis, David Orlowsky’s Klezmorim. u.a. gearbeitet und wurde bereits 2004 mit dem Jazz-Preis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Seine künstlerische Vielseitigkeit hört man auch auf diesem Konzept-Album raus, bei dem er von Bassist Dieter Fischer und Drummer Johann Polzer begleitet wird. in Sam Cookes ,A Change Is Gonna Come’ verbinden die drei Musiker dann noch mal das Beste aus Jazz, Soul, Surf und Saiten-Sounds zu einem schönen Stück Musik. Mein Highlight dieses Albums ist Billie Holidays Ballade ,Strange Fruit’, ein zeitloses Statement gegen Rassismus, Hass, Mord und Unterdrückung, in dem Ambros mit rauher Slide-Gitarre und seinem Fender Deluxe Reverb Amp zu hören ist, vor den er noch einen Okko TwinSonic, einen Rat-Verzerrer und ein Strymon Flint bzw. Brigadier für Tremolo und Delay geschaltet hatte.
Das gesamte Album wurde übrigens mit einer Hopf Saturn 63 Semiacoustic mit Flatwound-Saiten eingespielt.

Mehr über Jo Ambros erfährt man bei http://www.joambros.de – seine Musik und die in einem Poster-Booklet verpackte CD gibt’s bei joambros.bandcamp.com. Hier kann man dann auch das 2020 erschienene Album ,Bread And Roses’ entdecken, auf dem das Trio stilistisch etwas vielseitiger, zwischen Country-Tristesse, sphärischen Hall-Sounds, Latin-Ausflügen und rockigen Fuzz-Gitarren agiert. Auch spannend. Reinhören! lt

ARILD ANDERSEN GROUP: AFFIRMATION

Der norwegische Jazz-Kontrabassist und Komponist Arild Andersen (*1945) war von 1967 bis 1973 Mitglied des Jan Garbarek Quartet und 1971 auch auf dem ECM-Debüt von Terje Rypdal zu hören. Aber er spielte auch mit US-Größen wie Phil Woods, Dexter Gordon, Hampton Hawes, Johnny Griffin, Sonny Rollins und Chick Corea. Sein neues Album schwebt wieder ganz in nordischen Sphären und präsentiert sehr entspannte, schöne Musik mit viel Raum und warmen Farben. Beim genau für diese bewährten Zutaten bekannten Münchener Jazz-Label ECM ist Arild Andersen schon seit mehr als einem halben Jahrhundert unter Vertrag. Seine aktuelle Group ist jünger: zu dem Quartett gehören der norwegische Tenor-Saxophonist Marius Neset, Pianist Helge Lien und Schlagzeuger Håkon Mjåset Johansen, die sich in diesen im November 2021 im Osloer Rainbow Studio aufgenommen acht Tracks auch mal energetisch in Rage spielen können. Um dann wieder zu Transparenz und Harmonie zurückzufinden, in der man immer wieder von Arild Andersens großartigem Kontrabasston begeistert wird, der sehr plastisch rüberkommt. Ein absolut interessanter Bassist, sowohl als Solist, als auch im tragenden Untergrund. Von Arild Andersen kann man spielerische Ökonomie bei maximalem Ausdruck lernen. Toller Musiker, gute Band, gelungenes Album. lt

LISA WULFF: BENEATH THE SURFACE

Vor ein paar Monaten habe ich an dieser Stelle von Bassistin Lisa Wulff das großartige Album ,Sense And Sensibility’ vorgestellt. Grund genug, auf den Vorgänger hinzuweisen, zumal in den vergangenen zweieinhalb Jahren so einiges an Veröffentlichungen untergegangen ist bzw. nicht wahrgenommen wurde. Im Fall von ,Beneath The Surface’ wäre das sehr schade, denn alleine schon rein klanglich ist diese Aufnahme ein Genuss. Neben Lisa Wulff – hier am Kontrabass und mit Sopran-E-Bass aktiv – sind noch Adrian Hanack (ts/fl), Silvan Strauss (dr), sowie bei einzelnen Tracks Yannis Anft (p/synth), Frank Chastenier (p) und Miroslava Streychinska (harp) zu hören. Und auch hier erlebt man nicht nur anspruchsvolle Kompositionen sondern auch abwechslungsreiche Arrangements und originelle Mixes, was Raum-Sounds angeht. Lisa Wulffs tiefe aber transparente Basstöne und -Linien prägen ihre Musik unauffällig und intensiv zugleich. Eine großartige Musikerin! lt

JAKOB BRO & JOE LOVANO: ONCE AROUND THE ROOM. A TRIBUTE TO PAUL MOTIAN

Er war einer der ganz Großen des modernen Jazz-Schlagzeugspiels: Als Paul Motian am 22. November 2011 im Alter von 80 Jahren starb, konnten seine Fans auf eine über ein halbes Jahrhundert dauernde Karriere zurückblicken, und auf Aufnahmen mit Legenden wie Pianist Bill Evans, Scott LaFaro, Tony Scott, Oscar Pettiford, Lennie Tristano, George Russell und Sonny Rollins u.v.a. Im November 2021 hatten sich mit dem dänischen Jazz-Gitarristen Jakob Bro (1978) und dem amerikanischen Saxophonisten Joe Lovano ( 1952) zwei Weggefährten von Paul Motian zusammengefunden, um ihm ein Tribute-Album zu widmen. Lovano und Motian hatten gemeinsam mit Gitarrist Bill Frisell drei Trio-Einspielungen veröffentlicht, Jakob Bro hatte 2006 ,Garden Of Eden’ mit Motian aufgenommen. Auf ,Once Around The Room’ sind, neben je zwei Kompositionen der beiden Bandleader, noch Paul Motians Komposition ,Drum Music’ und mit ,Sound Creation’ eine Kollektiv-Improvisation zu hören, an der noch die Kontrabassisten Larry Grenadier und Thomas Morgan, außerdem Anders Christensen am E-Bass und Joey Baron und Jorge Rossy an den Schlagzeugen beteiligt waren. Ein ungewohnt und groß besetztes Ensemble, das trotzdem sensibel und transparent rüberkommt – so wie es der gefeierte Schlagzeuger nun mal bevorzugte. Gitarrist Jakob Bro versucht hier erst gar nicht Motians Favoriten Bill Frisell zu ersetzen sondern geht eigene Wege: mal mit warmem aber klaren Ton, dann mit verfremdeten E-Gitarrenklängen, die sich im letzten Album-Track ,Pause’ in tiefen Hallräumen und ein paar wunderschönen Arpeggios auflösen. Hier waren sensible Musiker und Könner mit großem Respekt an der Arbeit. Ein beeindruckendes, modernes Jazz-Album. lt

SUPERLÄUCHE: SUPERLÄUCHE

Fonkeeey! Zugegeben, beim Namen „Superläuche“ hätte ich eher auf ein neues Hipster-Nahrungsmittel getippt als auf eine Band, die so extrem knackig, virtuos, scharf und funky zur Sache geht. E-Gitarrist Lars Schurse kannte ich bisher in erster Linie als countresken Überpicker mit G.I.T.-Abschlusszeugnis, Bassist Christoph Herder als Session-Player und Lehrbuchautor, und Drummer Gerald Lieberum überhaupt nicht; dabei ist er seit 25 Jahren in allen möglichen Stilrichtunge aktiv, hat Musicals, BigBands, Reggae-Combos und Kreuzfahrtschiffe betrommelt. Als Band lassen diese drei Musikern ihren diversen Vorlieben freien Lauf, spielen Instrumentals die mal grooven, mal skurril marschieren, mal richtig scharf nach Oldschool Black Music klingen, und dann auch mal quirlige Country-Licks mit viel Humor an coolen Slap-Bässen servieren. Humor braucht man auch als Hörer, und Dogmatiker werden beim Genuss dieses Produkts Haarausfall bekommen. Aber die Spielfreude der Superläuche ist absolut ansteckend, ihr Groove zieht einen vom Sofa und Lars Schurses tighte Funk-Licks sind ganz großes Gitarrenkino. Seite 2 der vorliegenden Vinyl-LP startet dann auch noch mit einer extrem coolen Soundtrack-Nummer, die an amerikanische Blaxploitation-Kinofilme wie Coffy, Foxy Brown und natürlich Shaft erinnern. OK, jetzt bin ich Fan! Eine tolle Band die extrem gute Laune auf hohem musikalischen Niveau rüberbringt. Besuche superlauche.bandcamp.com! lt

JEFF DENSON, BRIAN BLADE, ROMAIN PILON: FINDING LIGHT

E- und Kontrabassist Jeff Denson, Gitarrist Romain Pilon und Ausnahme-Schlagzeuger Brian Blade sind schon ein cooles Team. Gleichberechtigt als Solisten waren sie schon auf ihrem 2019 erschienenen Debüt ,Between Two Worlds’, drei Jahre später klingen sie noch etwas euphorischer und verspielter. Sechs der zehn Tracks stammen von Jeff Denson, vier von Gitarrist Pilon, der hier durchgehend mit einem mittigen, halligen Ton und langen Singlenote-Lines präsent ist. Im vierten und längsten Album-Track, dem etwas freier angelegten ,A Moment In Time’ (07:44 min), blüht er dann aber auf und überzeugt mit abstrakte Sounds und Noises, unterstützt von seinen beiden Begleitern, die hier einen pulsierenden Untergrund kreieren, aus dem sich gegen Ende ein sehr relaxtes, balladeskes Thema rausschält. Die übrigen Tracks sind dann wieder etwas konventioneller ausgefallen, alle ruhig, teils etwas an Pat Methenys erinnernd, aber ohne dessen hymnische Melodien und seine dynamische Dramaturgie. Die großen bzw. intensiven Spannungsbögen vermisst man hier oft etwas. Im letzten Track von ,Finding Light’, dem Sixto Díaz Rodríguez (bekannt aus dem Dokumentarfilm „Searching For Sugarman“) gewidmeten ,Sixto’, geben die drei Musiker dann aber doch noch mal Gas und ziehen aus dem anfangs ebenfalls eher ruhigen Thema dann doch noch eine Menge Energie. lt

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