
Marcus Deml mag es klassisch: Während andere Musiker seit Jahren ihre neuen Produktionen auf Streaming-Portalen verschenken und dann genau darüber lamentieren, setzt der in Hamburg lebende Gitarrist auf gute Fan-Arbeit, direkte Kontakte zur Zielgruppe und Präsenz in der digitalen Parallelwelt. Außerdem unterrichtet Marcus Deml seit vielen Jahre und veranstaltet auch immer wieder mehrtägige Workshops für interessierte Gitarristinnen und Musiker. Genau deswegen macht es auch durchaus Sinn für ihn, mit einem physischen Tonträger an den Start zu gehen – die Vorbestellungen für sein neues Album ,Pure‘ sprechen eine klare Sprache. Soviel vorab: Bei Marcus bekommt man eine hervorragend klingende CD im Digipak, plus 24seitigem Foto-Booklet mit vielen Infos. Und zu jedem Song gibt es eine kleine Story und eine genaue Equipment-Liste für die Gitarrengemeinde.
Marcus Nepomuc Deml, 1967 in Prag geboren, in München und Frankfurt aufgewachsen, in Los Angeles am G.I.T. des Musicians Institute ausgebildet und vor über 20 Jahren in Hamburg sesshaft geworden, hat an mehr als 400 Alben als Sideman für Künstler wie Toto-Sänger Bobby Kimball, Laith Al-Deen, Saga, Michael Sadler, John Wetton, Nena, Achim Reichel, Moses P., Phils Sohn Simon Collins, Pat Mears, Sabrina Setlur, Rick Astley, Snap, Kingdom Come u.a. mitgewirkt. Mit seinen eigenen Projekten Errorhead, Electric Outlet, The Blue Poets und Earth Nation hat Marcus bereits 13 Alben veröffentlicht. Erst 2021 kam dann mit ,Healing Hands‘ ein echtes Soloalbum raus, erschienen auf seinem eigenen Label Triple Coil Music ( www.triplecoilmusic.com ).

Und jetzt ist Marcus Deml mit dem Nachfolger ,Pure‘ am Start, einem wirklich intensiven Gitarren-Album, das vor Emotion und Musikalität nur so strotzt. Wobei der technisch extrem versierte E-Gitarrist schon immer größten Wert auf Tone, auf Ausdruck, auf die Intensität jeder einzelnen Note gelegt hat. Mit megaschnellen Licks trendigen Skalensalat als Virtuosität zu verkaufen war nie sein Ding. Das kann er auch, keine Frage. Wichtiger: Bei Marcus Deml hat jeder Ton ein Eigenleben. Was ihn durchaus mit Jeff Beck und Jimi Hendrix verbindet. Aber er liebt auch den Melody Man Carlos Santana, den bluesigen Melodiker und Hardrocker Gary Moore und den gitarrespielenden Außerirdischen Allan Holdsworth. Bei diesem breiten und anspruchsvollen Spektrum bleibt dann wirklich nur der eigene musikalische Weg, wenn man gehört werden will.
Marcus‘ Virtuosität ist in den besten Momenten absolut unaufdringlich, sie findet oft im Detail statt. Noch mal: Jeder Ton hat hier ein eigenes Leben, jede Phrase hat Emotion, jede Komposition erzählt eine Geschichte.
Schon im ersten Track ,Budapest‘ ist das Thema „Tone“ offensichtlich. Denn wie Deml hier das einfach strukturierte Thema interpretiert, wie er den Klang seiner Stratocaster moduliert und von einem cleanen Ton in eine singende HiGain-Linie schwebt, ist Weltklasse. Formal hört man hier eine instrumentale Rock-Ballade, vom spielerischen Ansatz entspricht das Thema-Improvisation-Thema-Konzept einem Jazz-Standard. Und in dem Punkt sind die Grenzen bekanntlich fließend. ,Persecucion‘ kommt dann ganz riffig und jazzrockig daher, mit einem kurzen, hymnischen Interlude und einem absolut fließenden Solo.

Mit Marcus Deml waren für die Einspielung von ,Pure‘ noch Bassist Achim Rafain, Schlagzeuger Felix Dehmel und Keyboarder Tom Aeschbacher im Studio. Bei zwei Tracks ist Sängerin Betty Balue zu hören – im anfangs schrägen ,Only Half A Step‘ nur mit ein paar rudimentären Rap-Vocals zwischen Wah-Gitarre und coolem Bass-Lick – dann wird eine ganz normale Rock-Nummer mit ausführlichem Gitarrensolo daraus.
In ,Just Roll With It‘ geht es ähnlich zur Sache, funky, cool, ein paar Vocal-Samples und dann kommt wieder ganz viel Gitarre. Da werden Erinnerungen an alte Errorhead-Aufnahmen wach.
Die wahre Stärke des Gitarristen Marcus Deml zeigt sich dann einmal mehr im extrem langsamen ,Csardas Blues‘. Hier wird jeder Ton gefeiert und virtuos zu berührender Musik gemacht. Ebenso in der Ballade ,Rusty Leaves‘ wo nur E-Gitarre und Piano/Keyboards zu hören sind.
Und auch ,Rise Of The King‘, ,Pure‘ und ,Yorkshire Man‘, die letzten drei Album-Tracks, gehen in diese eher balladeske Richtung. Und strotzen dabei vor Energie. Es ist weniger das Was sondern das Wie, das die Emotionalität dieser Musik ausmacht. Ich muss bei manchen Gitarrentönen, die atmen, stöhnen und dann in dezente Verzerrung kippen an Billie Holiday (*1915 +1959) und ihr Album ,Lady In Satin‘ (1958) denken. Deml hat, wie vor ihm schon Jimi Hendrix oder im neueren Jazz-&-More-Bereich der Kölner Gitarrist Tobias Hoffmann verstanden, dass der E-Gitarrenton seine kreativste Blüte feiert, wenn er sich im extrem großen Spektrum des vokalen Ausdrucks bedient. Und die menschliche Stimme ist wohl das Instrument, das uns am direktesten berührt, und das wir seit den Sekunden unserer Geburt kennen.

Das Album ,Pure‘ erscheint am 07.11.2025 – vorbestellen kann man jetzt schon direkt beim Künstler bzw. seinem Label Triplecoilmusic. Und am Samstag den 29.11. ab 19 Uhr kann man das neue Werk von Marcus Deml & Band live in Hamburg in den Elbdeich 23 Studios erleben. Tickets gibt es HIER!
Lothar Trampert / Paleblueice.com 11/2025