Kinder-Country kennen wir aus Leidensgeschichten kariöser Heranwachsender, aber Senioren-Country ist mir bisher noch nicht begegnet. Mein langjähriges Idol als Gitarrist, Lebenskünstler, Musiksucher und Jazz-Szene-Irritator, John Scofield (in schwäbischen Musikerkreisen auch bekannt als “D’r Schkoh” ;-), hat das geändert. ,Country For Old Men‘ heißt sein aktuelles Album, und da ich selbst vom Land komme und älter als 22 bin, habe ich mich für vier Wochen in ein Baumhaus in Arkansas zurückgezogen und in dieses Thema vertieft. Ja, so arbeitet man bis heute als investigativer Musikredakteur.

“Country war schon immer der bessere Jazz“, versuchen mir meine beiden Kollegen von Hillbilly Deluxe fast täglich zu vermitteln. Inzwischen denke ich, dass die beiden alten Männer mit den Cowboy-Hüten nicht ganz Unrecht haben. Denn John Scofield scheint diesen Satz ebenfalls schon gehört zu haben, und er hat musikalisch reagiert: Wie immer überragend. Gemeinsam mit Keyboarder Larry Goldings, Bassist Steve Swallow und Drummer Bill Stewart hat er sich nämlich diesmal bei diversen „Outlaw-Country-Songs“ bedient, u.a. von George Jones, Hank Williams, Merle Haggard, Bob Wills, Patti Page, Dolly Parton, James Taylor und sogar Shania Twain. Was der Gitarrenmeister damit anstellt ist natürlich im Resultat Jazz vom Sco-Feld, der aber abgeht wie Chicken-Picking auf 240bpm, oder an anderer Stelle höchst emotional instrumental the blue side of Landleben intoniert.
Im letzten Track, Johnny Mercers ,I’m An Old Cowhand‘, persifliert Scofield die Country-Persiflage mit einem exakt 30sekündigen Ukulele-Solo. Meine beiden Kollegen werden niemals echte Country-Jazz-Fans werden. Howd-II-V-I-eee! lt
+++ Nicht komplett, aber teilweise aus Gitarre & Bass, Das Musiker-Fachmagazin, Ausgabe 10/2016
