NEUE ALBEN VON THE LITTLE WHILE UND DELBRUEGGE BAND
Ich kann mich noch gut erinnern, wie der Saxophonist Bernd D. im Proberaum der Köln-Ehrenfelder Graf-Band stand, wild mit den Armen in der Luft rumfuchtelte und in unüberhörbarer Lautstärke mitteilte: “Leute! Leute, nein! So geht das nicht! Leute, ich bin Schreiner, ich werde bald dreißig, und ich will den Job nicht mehr. Mit dreißig will ich Profi-Musiker sein! Punkt!!! Das ist mein Ziel – und jetzt reißt euch mal den Arsch auf!!!”
Bernd D. hat genau das dann auch irgendwann geschafft. Nach der Graf-Band kamen die Soulcats, Viva la Diva, TV-Musik für eine RTL-Nacht-Show, Knaller und die Herren, die floorJIVERS, nochmal die Soulcats und diverse Jobs mit Größen wie Bobby Byrd, Dr. Feelgood, Guildo Horn, Nina Hagen, Albie Donnelly und Gerd Köster.


Gerd Köster taucht auch in der Biografie von Bassist, Sänger, Komponist, Autor und Gastronom Rich Schwab auf, in dessen Kult-Band Schroeder Roadshow er anno 1979 mal blutjung die Krankenvertretung für Frontman Uli Hundt übernahm. In Richs Kneipe Nullzwei landete ich diverse Male nach Bandproben, und vertränkte nach Band-Proben so manchen Mitmusiker-Vortrag. Rich war immer cool, grummelig freundlich und quittierte ein “Hallo!” von neuen Gästen mit einem Nicken oder einem netten Spruch. Ohne “Hallo!” konnte es kühl werden. Er erzählte mir von Konzerten, die ich wegen später Geburt etc. nicht selbst erleben konnte, spielte Musik vor und servierte “Noch eins?”. Da fühlte ich mich wohl. Es war wahrscheinlich auch die einzige Kneipe der Welt, in der nachts regelmäßig eine schwarzweiße Katze auf einen Hocker vor der Theke sprang und darauf wartete, dass ihre Versorgungskraft Feierabend machte. Bei Rich lernte man schon tolle Wesen kennen.

Mit seinem Ex-Schroeder-Roadshow-Kollegen, dem Gitarristen & Sänger Gerty Beracz, hat Rich Schwab jetzt ein Album aufgenommen. “The Little While” nennen sich die beiden, und auf ,Do What You Love‘ machen sie genau das – sie spielen Songs aus dem Leben. 1965 haben sich Rich und Gerty zum ersten Mal zum Musikmachen getroffen, und dann immer wieder. Und das machen sie bis heute. Ihre acht neuen Songs hätten sie auch schon vor dreißig Jahren rausbringen können, denn sie klingen so, wie das was sie schon damals liebten: Nach coolem, straighten Gitarren-Rock. Musik von zwei Könnern, die Zeitgeist-resistent ihr Ding machen. Und dabei kann auch mal ein sehr spezieller, geradezu hypnotischer Track wie ,The Venture‘ herauskommen, der mich persönlich an die Energie von David Bowie und Peter Frampton auf der Glass-Spider-Tour im Jahr 1987 erinnert. Auch ,Lay Your Love‘ hat eine ganz eigene Stimmung, wunderbare harmonische Wendungen und berührende, unsterbliche Retro-Sounds. Und dann ,Aum, She Said‘, ,The Angry Melancholic‘ … ich staune bei jedem Track und entdecke, spüre immer mehr von dem Vibe, der mich seit Jahrzehnten an The Actor fesselt. Schön, wenn man auch in alten Beziehungen neue Seiten entdeckt.


,Do What You Love‘ ist ein Rock-Album mit auffallend kreativem Songwriting, tollen Gitarren von Gerty Beracz, ganz viel Atmosphäre und einer sehr eigenen Intensität. Respekt! Und mit dem Opener ,And The Shadows Played Dance On‘ gibt’s auch noch eine absolut eingängige “Pop-Single” – auch wenn Herr Schwab mir diese Kategorisierung vermutlich rot anstreichen wird, andererseits aber auch nichts dagegen hätte. Ein tolles Album von A Little While!


Die anfangs beschriebene Szene ist auch schon eine ganze Weile her. Saxophonist Bernd ist aber immer noch Profimusiker und hat inzwischen die Delbruegge Band am Start, mit der er am 29.04.2022 das Album ,Analogue Souls‘ veröffentlicht, das es nur als 180g-Vinyl-Scheibe geben wird. So viel vorab: Delbrügge, der bei einem Track auch als Vokalist zu erleben ist, und seine Mitmusiker Gert Kapo (kb), Gero Gellert (b) und Dirk Ferdinand (dr) und die Gäste Roger Schaffrath (g), Buddy Sacher (g, mandolin) und Susanne Weidinger (clarinet) haben elf abwechslungsreiche Tracks eingespielt, die zwischen Bar-Jazz, Blues, Oldschool-Funk und schrammelndem 50s-Krimi-Swing pendeln. Musik, “irgendwo zwischen Duke Ellington, Tom Waits und Clärchens Ballhaus”, so Delbruegge. Aber auch Musik für heiße Sommernächte in halbleeren Bars.
Das Leben bleibt bunt, denke ich gerade.
+ The Little While: Do What You Love (Fuego)
+ Delbruegge Band: Analogue Souls (Westpark)