ORCHESTRAL: PHILIPP VAN ENDERT & MOON BALLOON

ORCHESTRAL:

PHILIPP VAN ENDERT & MOON BALLOON

Unter Jazz-Fans und Saiten-Freundinnen keine Frage: Philipp van Endert, Jahrgang 1969, gehört neben Michael Sagmeister ganz sicher zu den produktivsten Jazz-Gitarristen der europäischen Szene. Nach Beendigung seines Studiums am Berklee College of Music in Boston, das er mit der Auszeichnung magna cum laude abschloss, hat er an ungefähr 50 Album-Produktionen mitgewirkt und sich vom Jazz-Rock- und Fusion-Sound der 90er-Jahre allmählich in Richtung Modern Jazz entwickelt. Und noch weiter.

Van Endert hat u.a. mit den Gitarristen Alex Gunia, Bret Willmott und Axel Fischbacher aufgenommen, ebenso mit dem Vibraphonisten Mathias Haus, dem Kontrabassisten André Nendza oder den Sängerinnen Anne Hartkamp und Tossia Corman. Außerdem arbeitet er seit über 25 Jahren mit dem Klarinettisten Lajos Dudas zusammen. Philipps letzte Trio-Alben unter eigenem Namen, ,Presence‘ (2014) und ,Cartouche‘ (2019), hat er auf seinem Label JazzSick Records veröffentlicht – und diese Produktionen des vielseitigen Musikers waren ohne Frage absolute Highlights des zeitgenössischen Gitarren-Jazz. 

Jetzt versucht es der Vielseitige auch noch vielsaitig: Anfang März 2022 erschien ,Moon Balloon‘ – und auf diesem Album ist E-Gitarrist van Endert mit dem legendären Filmorchester Babelsberg zu hören, einem verkleinerten Sinfonie-Orchester, das schon vor einem Jahrhundert Fritz Langs Stummfilm “Metropolis” mit Musik begleitete. Von der damaligen Besetzung dürfte allerdings niemand mehr an Bord sein.

Jazz-Alben mit Streichern und Bläsern sind nichts Neues. Gitarristinnen und Gitarreros denken an ,Fusion! Wes Montgomery With Strings‘ (1963), an ,Easy‘ (1978) von Grant Green, aber auch John McLaughlins energetisches Mahavishnu Orchestra mit ,Apocalypse’ oder Soundscaper Terje Rypdals ,Whenever I Seem To Be Far Away (beide 1974) sind großartige Beispiele für diese Art der musikalischen Begegnung. 

Der Jazz-Gitarrist und das Filmorchester während der Aufnahmen am 19. Mai 2021 im Filmstudio Babelsberg

“Es gibt ja einige tolle Produktionen, die Jazz-Musiker und Orchester zusammengeführt haben”, erzählt Philipp van Endert zu Beginn unseres Interviews. “Ich mag vor allem die Alben von oder mit Vince Mendoza, darunter die Aufnahmen von John Scofield mit dem Metropole Orkest.” 

Was ist das für ein Gefühl, einmal selber die Dynamik eines ganzen Orchesters im Rücken zu haben und dazu Gitarre zu spielen? Kommt da überhaupt Band-Feeling auf und findet Interaktion statt? “Die Interaktion mit dem Orchester verläuft hier eher auf einer anderen Ebene. Den unmittelbaren Zugriff auf jeden Impuls, der einem im Duo oder Trio gegeben ist, hat man so hier nicht, weil es für das Orchester keine nicht auskomponierten Stellen gab. Und ich musste, bis auf meine Soli, auch den Arrangements folgen. Beim Titel-Track ,Moon Balloon‘ gibt es jedoch ein etwas freieres Solo von mir, bei dem ich die Harmoniewechsel durch Zunicken an den Dirigenten Jörg Achim Keller und somit an das Orchester selbst ausgelöst habe. Was aber eine unfassbare Energie hatte – mit einer ähnlichen Intensität wie die Interaktion in einem Duo/Trio – war der Schub, den das Filmorchester Babelsberg mir u.a. in dem Stück ,Fu‘ geliefert hat: Da darf ich am Ende zusammen mit dem Orchester regelrecht wegfliegen und wurde bei der Aufnahme von diesem enormen Klangkörper wie auf einer Welle getragen. Das hat unfassbar Spaß gemacht.”

Philipp van Endert ist ein begeisterter Musiker. Was man beim Hören des neuen Albums spürt. Und man wird immer wieder überrascht, von kleinen solistischen Parts oder Duo-Sequenzen, die Kontraste schaffen zum großen Orchesterklang. Als Gastsolisten waren van Enderts Trio-Mitmusiker, Kontrabassist André Nendza und Flügelhornist Christian Kappe mit dabei, die jeweils in zwei Tracks zusätzliche Farben beisteuern. Unaufdringlich im Mittelpunkt steht aber Philipp van Endert als Solist, der mit warmem Gitarrenton die Musik von ,Moon Balloon‘ entscheidend prägt.

Philipp, welches Equipment hattest du bei diesem Projekt im Einsatz? 

Ich glaube ich bin, was Equipment angeht ein sehr treuer Mensch. Wenn ich einmal etwas gefunden habe, was ich liebe, dann liebe ich es für immer. Daher gab es auch bei meinem Equipment keine großen Veränderungen seit meiner letzten Platte ,Cartouche‘. Ich spiele meine Ibanez AS200 seit ich 16 Jahre alt bin, meine zwei Mesa/Boogie Studio 22+ Amps seit über 20 Jahren, und bei meinen Effektgeräten kommt höchstens alle paar Jahre mal was Neues dazu. Meine beiden Boss-Digital-Delays DD-5 und DD-3 sind ebenfalls wichtig für meinen Sound: Das DD-3 benutze ich für lange Delays, um vor allem Akkordflächen zusammen mit dem Volume-Pedal reinzufahren, und das DD-5 benutze ich als Reverse Delay, um einen etwas seltsamen Hall für Melodien und Soli zu haben. Daneben spiele ich weiterhin den Exotic-BB-Preamp, für die angezerrten Sounds. Neu dazugekommen sind ein Moog MF Ring Modulator, wenn es mal etwas weird und psychedelisch werden soll; beim Titelstück ,Moon Balloon‘ habe ich den Moog z.B. im Solo eingesetzt. Dann habe ich noch ein ein TC Electronic Hall of Fame 2 als Reverb, ein Lehle-Volume-Pedal und ein Electro-Harmonix Superego+, das ich eher wie ein Freeze einsetze. Ich finde den Effekt beim Superego+ etwas schöner als beim originalen Freeze. Die so gehaltenen Töne moduliere ich oft noch durch Phaser oder Flanger, um etwas Bewegung in den Ton zu bekommen.

Philipp van Enderts Setup seit Jahren: Ibanez AS200 Semiacoustic, ein paar Effekte und ein Mesa/Boogie Studio 22+, der auch als Sitzmöbel perfekt funktioniert.

Wurde dein Gitarren-Sound im Mix noch bearbeitet?

Nicht viel, nur das Übliche, mit etwas Compressor und Hall. Allerdings hatte mein Freund und Produzent Florian van Volxem die Idee bei dem Stück ,Fu‘ an einigen Stellen ein altes Roland Space Echo – das mit dem Magnetband drinnen – einzusetzen, um ein paar schöne Artefakte bei den arpeggierten Akkorden und im Schluss-Solo reinfliegen zu lassen. Florian hat Tonnen von so coolen, alten Effektgeräten in seinem Studio und ich glaube wir haben da mindestens einen halben Tag mit rumgespielt und experimentiert. Einiges von diesen Aufnahmen haben wir dann auch wieder in die Tonne gehauen, weil es einfach zu viel war. Aber großen Spaß hatten wir allemal beim Ausprobieren, und bei ,Fu‘ haben wir dann tatsächlich auch viel drin gelassen …

Welche Saiten verwendest du auf deiner Ibanez AS200?

Seit mehreren Jahren verwende ich .011er von Ernie Ball, die “Custom Gauge Stainless Steel”-Saiten. Die halten recht lange bei mir und ich kann sie ohne Probleme bis zu zwei Monate drauf lassen.

Setzt du neben dem Spiel mit dem Plektrum auch deine Finger der Anschlaghand ein?

Ganz viel mache ich das! Da ich mit klassischer Gitarre angefangen habe und das bis zu meinem Studienbeginn in Boston nebenher weitergemacht hatte, ist mir der direkte Kontakt zu den Saiten sehr viel vertrauter als der Anschlag mit dem Plektrum. Ich hatte für die klassische Gitarre einen tollen Gitarrenlehrer aus Sizilien; sein Name ist Baldo Calamusa und er hat lange Zeit in Düsseldorf gelebt. Das Plektrum benutze ich eigentlich nur für etwas schnellere Single-Note-Lines. Bei Balladen kann es sogar sein, dass ich ganz darauf verzichte; dann spiele ich die Single-Notes mit dem Daumen und Zeigefinger.

Hattest du eigentlich jemals das klassische Handschuhton-Setup mit einer Archtop-Jazz-Gitarre am samtbeflockten Polytone-Amp im Einsatz?

Nein, das hatte ich bisher noch nie bei einer Produktion oder bei einem Konzert, obwohl ich diesen klassischen Jazz-Sound sehr mag. Ich hatte vor kurzem mal eine ziemlich gut eingestellte Wes-Montgomery-artige Gitarre von Washburn, eine J6 zum Anspielen und das hat riesig Spaß gemacht, da Wes sowieso ein Held für mich ist. Die Gitarre habe ich dann über einen kleinen AER-Verstärker gespielt und damit kam ich so ein bisschen in Richtung Handschuhton-Setup. Ich habe dann aber beim Testen der Gitarre und auch beim normalen Üben auf einmal angefangen, so zu spielen wie Wes Montgomery – zumindest so gut es ging. Daher habe ich mich dann entschieden lieber die Finger von der Archtop zu lassen. Denn im Grunde bin ich ja sehr happy mit meinem Sound und habe das Gefühl, dass der mehr und mehr Wiedererkennungswert bekommt und nach mir klingt.


Welche Jazz-Gitarristinnen und -Gitarristen haben dich in den vergangenen Jahren beeindruckt?

Ich hatte das Glück bei der neuen Platte von Drummer Peter Weiss, ,Conversations With Six String People‘, mitzuspielen und habe dabei zusammen mit Sandra Hempel, Norbert Scholly und Tobias Hoffmann aufgenommen. Die haben mich alle drei sehr beeindruckt und das war eine wirkliche Freude mit ihnen zusammen zu spielen und aufzunehmen. Wir spielen in dieser Besetzung sogar im März 2022 zwei Konzerte live. Das wird auf jeden Fall ein herrliches Gitarren-Treffen und darauf freue ich mich sehr! In den letzten Jahren hat mich auch der englische Gitarrist Mike Walker sehr fasziniert und da mein Buddy und Bassist André Nendza mit ihm einige Projekte spielt, habe ich ihn auch persönlich kennengelernt. Von den amerikanischen Gitarristen mag ich neben meinen alten Helden John Scofield, Pat Metheny, Bill Frisell, Mick Goodrick, John Abercrombie, Jim Hall, Wes Montgomery, Wayne Krantz auch noch Jonathan Kreisberg, Gilad Hekselman, Lage Lund, Julian Lage und Kurt Rosenwinkel.

Interessantes neues Projekt: Norbert Scholly, Robert Landfermann, Sandra Hempel, Peter Weiss, Tobias Hoffmann und Philipp van Endert.

Was verbindet dich mit der Musik von Attila Zoller?

Ich bin das erste Mal auf Attila Zoller aufmerksam geworden, als mir mein Freund und Mentor, der ungarische Klarinettist Lajos Dudas, von ihm erzählte. Er hatte viel mit Attila live gespielt und auch einige Produktionen mit ihm gemacht. Seitdem habe ich natürlich einige Platten von und mit Attila Zoller gehört und liebe ein paar davon sehr. Auch sein letztes Solo-Album ,Lasting Love‘ finde ich toll. Live spiele ich immer wieder zusammen mit Lajos Stücke von Attila Zoller, z.B. ,Hommage To O.P.‘, ,Meet‘, ,Rumpelstilzchen‘ oder ,The Birds And The Bees‘. Faszinierend finde ich wie er auf der einen Seite einen eher traditionellen Gitarren-Sound hatte und dann aber auf der anderen Seite mit seinen Kompositionen, Solo-Linien und Akkord-Voicings hochmodern und zeitweise schon fast avantgardistisch spielte. Ein toller Musiker und ich wünschte ich hätte einen von seinen Jazz-Kursen bei ihm zu Hause in Vermont/USA besuchen können, als ich drüben studiert und gelebt habe. 

Lajos Dudas hätte mich beinah für ein Konzert in Neuss mit Attila Zoller zusammengebracht. Es war schon geplant, aber leider war er da schon sehr krank und konnte dann doch nicht nach Europa kommen. Das wäre bestimmt eine unfassbar großartige Erfahrung gewesen. Wahrscheinlich ähnlich beeindruckend und schön für mich wie das Konzert, das ich zusammen mit Philip Catherine vor einigen Jahren im Robert-Schumann Saal in Düsseldorf geben konnte.  

Du erwähntest eben Attila Zollers Album ,Lasting Love‘. Kommt jetzt, nach dieser orchestralen Erfahrung, als nächstes vielleicht auch mal ein unbegleitetes Solo-Album? 

Den Gedanken hatte ich interessanterweise schon vor dieser Produktion mit dem Filmorchester Babelsberg. Ja, ich habe das auf dem Schirm und werde auf jeden Fall bald ein Solo-Album aufnehmen. Ein bisschen Mut muss ich noch sammeln – ich spiele zwar sehr gerne Solo-Gitarre aber im Vergleich zu anderen Kolleginnen und Kollegen wird es wahrscheinlich von der Technik her etwas rauer und nicht ganz perfekt. Aber vielleicht wäre ja gerade das sogar reizvoll …

Du bist ein Mensch und Musiker, der Begeisterung ausstrahlt. Was bedeutet Glück für dich?

Glück bedeutet für mich meine Lieben um mich zu haben und gleichzeitig ein Leben mit der Musik in Freiheit führen zu dürfen. Beides sind unfassbare Energiequellen und ich empfinde das als Riesenglück und als Geschenk. 

Der Arbeitstitel des ersten Stücks auf ,Moon Balloon‘ war eigentlich ,Hope And Gratitude‘, weil ich dieses Stück zum Anfang des ersten Lockdowns geschrieben habe und trotz dieser skurrilen und beängstigenden Situation dennoch dankbar und zufrieden war. Es war ein enormes Glück, meine Lieben und die Musik zu haben und zu merken, dass es mir dadurch an nichts fehlte. Ich glaube dieses Stück, das nun ,Mrs. Blueberry‘ heißt und meiner Liebsten gewidmet ist, klingt auch so gar nicht nach Lockdown-Blues, sondern ist eher lebensumarmend. Weil ich einfach zu großes Glück durch die Liebe und die Musik erfahre. 

Danke für das Gespräch, Philipp!

STORY: LOTHAR TRAMPERT 02/2022
FOTOS: THOMAS KRUESSELMANN , JAZZSICK RECORDS, ACOUSTIC MUSIC

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MOON BALLOON

PHILIPP VAN ENDERT & DAS FILMORCHESTER BABELSBERG

Jazz-Alben mit Streichern oder großem Orchester? Da fallen mir zuerst ,Charlie Parker With Strings‘ (1950) ein, ,Fusion! Wes Montgomery With Strings‘ (1963), aber auch John McLaughlins Mahavishnu Orchestra mit ,Apocalypse’ oder Terje Rypdals ,Whenever I Seem To Be Far Away (1974). Jetzt hat sich auch der Düsseldorfer Gitarrist Philipp van Endert zum jazzinfonischen Musiker qualifiziert – mit dem Filmorchester Babelsberg und ,Moon Balloon‘.

Wer Philipp van Endert (*1969) und seine vielfältigen Projekte der vergangenen drei Dekaden kennt, ahnt schon, dass er auch aus dieser neuen Spielsituation etwas Besonderes generiert haben wird. Nach seinem Studium am Berklee College of Music in Boston, das er mit Auszeichnung bestand, hat Philipp an rund 50 Alben mitgewirkt und sich vom Jazz-Rock- und Fusion-Sound der 90er-Jahre schnell in Richtung Modern Jazz orientiert und war häufig in kleineren Besetzungen zu hören. Seit über 25 Jahren arbeitet er mit dem Klarinettisten Lajos Dudas zusammen, hat mit den Gitarristen Alex Gunia, Bret Willmott und Axel Fischbacher aufgenommen, ebenso mit dem Vibraphonisten Mathias Haus, dem Kontrabassisten André Nendza oder den Sängerinnen Anne Hartkamp und Tossia Corman. Van Enderts letzte Trio-Alben ,Presence‘ (2014) und ,Cartouche‘ (2019), veröffentlicht auf seinem eigenen Label JazzSick Records, gehörten zum Besten, was die europäische Gitarrenszene in dieser Dekade zu bieten hatte.

Anfang März 2022 erscheint mit ,Moon Balloon‘ ein Album, das für den sympathischen und eher zurückhaltenden Künstler ein großer Schritt gewesen sein muss. Raus aus der kammermusikalischen Intimität von Duo und Trio, und vor allem raus auf die große Bühne, als Solist vor einem sinfonischem Ensemble, das schon vor einem Jahrhundert Fritz Langs Stummfilm “Metropolis” mit Musik begleitete. Frage an den Gitarristen: Hat ihn irgendein bestimmtes früheres Jazz-Album mit orchestralen Arrangements direkt inspiriert? “Es gibt ja einige tolle Produktionen, die Jazz-Musiker und Orchester zusammengeführt haben und eine ganze Reihe davon mag ich sehr. Vor allem aber die Produktionen von oder mit Vince Mendoza höre ich wahnsinnig gerne, darunter die Aufnahmen von John Scofield mit dem Metropole Orkest.”

Das Filmorchester unter der Leitung von Jörg Achim Keller, interpretiert fünf Kompositionen von van Endert sowie einen Titel des japanischen Jazz-Pianisten Makoto Ozone. Arrangiert wurde das Material vom Filmkomponisten Peter Hinderthür, früher unter dem Namen Tex Super als Bassist mit Cultured Pearls, der wunderbaren Band um Sängerin Astrid North unterwegs. Philipp van Endert: “Als mein Freund Peter Hinderthür mit der Idee zu mir kam, meine Stücke für Orchester zu arrangieren, war ich sofort total begeistert und gleichzeitig hatte ich auch ein Riesenrespekt davor. Vor allem war es uns wichtig, dass das Orchester wirklich einen wichtigen Teil der Arrangements und der Musik übernimmt und nicht nur eine begleitende Funktion hat. Die Rollenverteilung zwischen dem Orchester und mir sehr interaktiv und ausgeglichen gestaltet … Ich freue mich so sehr darüber, dass meiner Musik dadurch Türen geöffnet wurden, die ich selber nicht gefunden hätte.”

Am Mix war dann mit Florian van Volxem ein weiterer Könner aus der Filmmusikszene beteiligt: “Florians Art meine Musik zu mischen, habe ich schon einige Male erleben dürfen, aber dieses Projekt war durch seine Größe auch für ihn etwas Besonderes. Was ich besonders an ihm schätze ist, dass sich die Art, wie er sich einbringt, anfühlt wie die eines Band-Mitglieds, und weil er ein ebenso passionierter Musik-Fan und Musiker ist wie ich, lässt er keine Zeit und Energie aus, um das absolute Optimum aus den Aufnahmen und der Musik herauszuholen.”

Und so wird man wird als Hörerin oder Hörer immer wieder überrascht, von kleinen Solo- oder Duo-Spots, und von Räumen, die sich auftun und zu weiten Klanglandschaften wachsen. Dabei behält die Musik immer ihre Transparenz, Beweglichkeit, Lebendigkeit – und die bleibt ja bei großen Besetzungen oft im Mix auf der Strecke. ,Moon Balloon‘ klingt, wenn man mit den Schwingungen eines unverstärkten, sinfonischen Ensembles vertraut ist, absolut authentisch. Das gilt ebenso für die semiakustische E-Gitarre von Philipp van Endert, der sich hier – das machen schon die ersten Töne klar – seine Sensibilität und Emotion bewahrt hat. Mit dabei als Gastsolisten waren van Enderts Trio-Mitmusiker, Kontrabassist André Nendza und Flügelhornist Christian Kappe, die jeweils in zwei Tracks zusätzliche Farben beisteuern.
Ein kompetentes, kreatives Team ist wichtig für so ein Projekt, und bei ,Moon Balloon’ ist auch das opulente DigiPak, grafisch gestaltet und bebildert von Tanja und Thomas Kruesselmann, in ästhetischer Hinsicht auf dem Niveau der Musik. Das macht gespannt auf die Vinyl-Ausgabe dieses Albums, das digital zusätzlich noch im Klangformat Dolby Atmos erscheinen wird.

Letzte Frage an Philipp van Endert: Kommt dann jetzt als nächstes vielleicht ein unbegleitetes Solo-Album? “Interessanterweise war das wirklich ein Gedanke, den ich bereits vor dieser Produktion hatte, und ich werde auf jeden Fall bald ein Solo-Album aufnehmen. Ein bisschen Mut muss ich noch sammeln. Ich spiele zwar sehr gerne Solo-Gitarre aber im Vergleich zur Musik anderer Kolleginnen und Kollegen wäre es wahrscheinlich von der Technik her etwas rauer und nicht ganz perfekt. Aber vielleicht wäre ja gerade das sogar reizvoll.”  

Lothar Trampert in JAZZthetik 03/04 2022

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SOME REVIEWS

2022
PETER WEISS: CONVERSATION WITH SIX-STRING PEOPLE. Auf Jazzsick Records erscheint am 29.04. ein Album, dass Schlagzeuger Peter Weiss gleich mit vier ausgezeichneten Gitarristen präsentiert: Mit Sandra Hempel (1972), Norbert Scholly (1964), Tobias Hoffmann (1982) und Philipp van Endert (1969), am Bass sind Hendrika Entzian (1984) und Matthias Akeo Nowak (1976) zu hören, hat er kompetente Kolleginnen & Kollegen an der Saite. Ein absolut spannendes, abwechslungsreiches Jazz-Album. lt


PHILIPP VAN ENDERT & ORCHESTRA: MOON BALLOON
. Diesen Gitarrist kennt man eigentlich aus kleinen Besetzungen: Philipp van Enderts (*1969) letzte Trio-Alben unter eigenem Namen, ,Presence‘ (2014) und ,Cartouche‘ (2019) gehörten zum Besten des europäischen Gitarren-Jazz, der letzten Jahre, ebenso seine Duo-Aufnahmen mit dem Vibraphonisten Mathias Haus, dem Gitarristen Axel Fischbacher und dem Klarinettisten Lajos Dudas. Jetzt hat der E-Gitarrist van Endert mit dem legendären Filmorchester Babelsberg, geleitet von Jörg Keller, kooperiert und ein wunderbares, orchestrales Album mit virtuosen, spannenden Gitarrensoli aufgenommen. Als Gastsolisten waren in jeweils zwei Tracks van Enderts Trio-Mitmusiker, Kontrabassist André Nendza und Flügelhornist Christian Kappe dabei. Die auch klanglich wirklich beeindruckende Produktion zeigt Philipp van Enderts Kompositionen neu arrangiert vom Filmkomponisten Peter Hinderthür, der früher übrigens unter dem Namen Tex Super als Bassist mit Cultured Pearls, der wunderbaren Band um Sängerin Astrid North unterwegs war. Den Mix besorgte mit Florian van Volxem ein weiterer Könner aus der Filmmusikszene. Ein perfektes Jazz-Classic-Score-Crossover-Unternehmen, bei dem sich die Richtigen gefunden haben. Jetzt fehlt nur noch der Film zur Musik. lt

2021
JAZZ ENSEMBLE DÜSSELDORF: FROM TOWN TO TOWN.
Reiner Witzel (sax), Philipp van Endert (g), Sebastian Gahler (p), Mathias Haus (vib), Nico Brandenburg (b) und der wunderbare Peter Weiss (dr) in einem tollen gemeinsamen Projekt, das nicht nur zwei Kraftwerk-Hits und ein Robert-Schumann-Lied zu swingender Musik macht, sondern umfassende Kulturarbeit leistet. “Das JAZZensemble düsseldorf ist eine musikalische Plattform, die im Austausch steht. Im Austausch mit anderen Städten und Partnerstädten, mit einem großen Netzwerk an Musikern und Künstlern aus aller Welt, im Austausch mit anderen Sparten und Genres wie Klassik, neue Musik, Tanz, Theater und bildender Kunst. Und natürlich immer im Austausch mit seinem Publikum. Das jazzENSEMBLE düsseldorf ist ein Kollektiv Düsseldorfer Jazzmusiker – jeder für sich ein Profi an seinem Instrument, aktiv als Dozenten, Komponisten und Arrangeure, fast alle Förderpreisträger der Stadt, jeder reich an musikalischen Erfahrungen im In- und Ausland, alle verbunden ihrer Musik, dem Jazz und ihrer Stadt: Düsseldorf. Das jazzensemble DÜSSELDORF ist eine kreative Ideenschmiede, um die Stadt kulturell zu repräsentieren, aber auch um sie musikalisch neu zu interpretieren: das Thema ist die Stadt, die Sprache ist die Musik und die Performance macht es lebendig. Von Kraftwerk bis Karneval, von Heine bis Hosen – der Input ist vielfältig; für die kompositorisch erfahrenen und aktiven JE:D-ler eine spannende Herausforderung, Jazz in seiner ihm eigenen Freiheit und Flexibilität macht es möglich.” Weitere Infos: j-e-d.de

2020
ZOOM: NO NEED TO TALK.
Mit Stephan Mattner (ts), Philipp van Endert (g), Sebastian Räther (b) und Jo Beyer (dr) kann sogar ,Sunny‘ noch mal richtig spannend klingen – denn es ist eine Eigenkomposition von Tenorsaxophonist Stephan Mattner. ;-)

2019
PHILIPP VAN ENDERT / ANDRÉ NENDZA / CHRISTIAN KAPPE: CARTOUCHE
. Ein Album, das ich seit fast vierzig Jahren liebe, ist ,Daybreak‘ vom Chet Baker Trio, zu dem, neben dem namengebenden Trompeter & Sänger, noch Gitarrist Doug Raney und Bassist Niels-Henning Orsted Pedersen gehörten. Alle drei Jazz-Musiker haben uns verlassen, aber die Besetzung und die Kraft dieser Aufnahmen wurden wiedergeboren: Gitarrist Philipp van Endert und Kontrabassist André Nendza haben mich in den vergangenen 20 Jahren schon sehr oft überzeugt, Trompeter Christian Kappe tut es mit diesem Album, das nicht nur sehr geschmackvoll, räumlich und hallökonomisch aufgenommen und gemischt wurde (von Florian van Volxem, gemastert hat Kai Blankenberg), sondern auch noch wunderbare, ruhige Musik transportiert. Die kommt auch aus einer anderen, freieren Spielweise, als das o.g. Chet-Baker-Meisterwerk: Philipp Van Endert ist ein wunderbarer Melodiker, aber auch ein sensibler Teppichleger, der intensive sphärische Sounds mit Volume-Pedal und Reverb-Effekten zaubert, dann wieder zu rhythmisch akzentuiertem Comping wechselt – und auch mal intensitätsteigernde Pausen einlegt. Ein großartiger Gitarrist – so gut habe ich ihn noch nie gehört! Und mit diesen beiden Mitmusikern, in dieser instrumentalen Besetzung und mit so wunderbaren, ruhigen Eigenkompositionen, ist van Endert ein Meisterwerk gelungen. Schaut man sich das DigiPak an, merkt man sofort: Auch da wurde kompetent und geschmackvoll gearbeitet von Tanja & Thomas Kruesselmann. Fazit: Hier passt einfach alles zusammen. Eine absolut organische Album-Produktion, in jeder Hinsicht. Philipp van Endert, Christian Kappe und der auch als Solist immer wieder großartige André Nendza überzeugen mit jeder Note. Team-Arbeit von Individualisten. lt

2014
PHILIPP VAN ENDERT TRIO: PRESENCE.
Der Düsseldorfer Jazz-Musiker Philipp van Endert gehört seit vielen Jahren zu den beeindruckendsten Künstlern seines Genres. ,Presence‘ hat er gemeinsam mit Kontrabassist André Nendza und Schlagzeuger Kurt Billker eingespielt. Ein wirklich gelungenes, sensibles und klischeefreies Jazz-Album. lt

2013
LAJOS DUDAS TRIO: LIVE AT PORGY & BESS.
Auch der ungarische Klarinettist Dudas hat mit Attila Zoller gearbeitet – hier sind ebenfalls zwei Zoller-Kompositionen zu hören. Gemeinsam mit Kontrabassist Leonard Jones und dem Düsseldorfer Jazz-Gitarristen Philipp Van Endert feierte er kürzlich das 20-jährige Bühnenjubiläum dieser Besetzung. Transparenter, swingender Jazz mit tollen Solisten. lt

LAJOS DUDAS QUARTET: LIVE AT SALZBURGER JAZZHERBST . Sehr spannender Konzertmitschnitt mit Lajos Dudas (cl), Philipp van Endert (g), Kurt Bilker (dr) und Jochen Büttner (perc). Standards, Folk-Songs, Blues …

2011
PHILIPP VAN ENDERT TRIO: ROSEBUD.
Swingenden Trio-Jazz liefert der Düsseldorfer E-Gitarrist van Endert, gemeinsam mit André Nendza (b) und Kurt Billker (dr). Als Gäste sind Rick Margitza (sax) und Christoph Hillmann (perc) bei sechs von zehn Tracks zu hören, was diesem sehr straight groovenden Album schöne Kontraste gibt. Und Philipp van Enderts Gitarrenspiel in Balladen wie ,You Must Believe In Spring‘ ist wirklich erstklassig. Toller Musiker! lt

2010
MATHIAS HAUS/PHILIPP VAN ENDERT DUO: TWO ABOVE THE OPEN SEA.
Vibraphon und Gitarre, von zwei virtuosen Jazz-Musikern live eingespielt. Neben eigenen Kompositionen ist hier auch ,Feel‘ von Robbie Williams zu hören – natürlich mal ganz anders. ju

2009
AXEL FISCHBACHER & PHILIPP VAN ENDERT: THE TIME WE SPEND.
Gemeinsam mit Bassist André Nendza und Drummer Kurt Billker haben die beiden Düsseldorfer Gitarristen ein Standards-Album eingespielt, swingende Interpretationen, mal sehr straight-ahead-mainstreamig, dann wieder (im Duo von ,All The Things You Are‘) erstaunlich offen und eigenständig. Und mal wieder 11 von 10 erreichbaren Punkten für Bassist Nendza, einen ganz großen Virtuosen seines Instruments. lt

2008
PHILIPP VAN ENDERT: BALLADS & CHILLS.
Der Düsseldorfer Gitarrist ist hier in verschiedenen Besetzungen zu hören, immer mit großartigen Musikern – u. a. André Nendza (b), Kenny Wheeler (flh), Lajos Dudas (cl). Die Aufnahmen entstanden zwischen 1996 und 2007 und zeigen einen flexiblen Musiker, dessen eindeutige Stärke schon immer in seiner ruhigen und sympathischen (Spiel-)Art lag. Schön! ju

2004
LAJOS DUDAS QUARTET: JAZZ AND THE CITY
. Standards und Eigenes von und mit Lajos Dudas (cl), Philipp van Endert (g), Kurt Bilker (dr) und Martin Gjakonowski (b).

2002
MATHIAS HAUS & PHILIPP VAN ENDERT: HIT THE SPOT, JACK.
Vibraphonist Mathias Haus & Gitarrist Philipp van Endert in Interaktion.

1999
ALEX GUNIA & PHILIPP VAN ENDERT: BEAUTY OF SILENCE.
Sie gehören zu den besseren deutschen Gitarristen zwischen Jazz & Rock. ,Beauty Of Silence‘ (rough trade/laika) zeigt sie in swingender Improvisierlaune, zusammen mit Drummer Michael Küttner und dem großartigen Kontrabassisten André Nendza.

1997
LAJOS DUDAS: MUSIC FOR CLARINET
. Gitarrist Philipp van Endert ist hier zwar nur auf zwei Tracks zu hören, dafür ist aber das Album des ungarischen Klarinettisten Lajos Dudas ein spannender Trip durch seine musikalische Welt.

+++ Eine vollständige DISCOGRAFIE von Philipp van Endert findet man auf seiner Website.

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PRESENCE 2014

Er ist Gitarrist, Label-Betreiber, Duo-Partner, Trio-Bandleader und Quartett-Sideman: Der Düsseldorfer Jazz-Musiker Philipp van Endert gehört seit vielen Jahren zu den beeindruckendsten Künstlern seines Genres. ,Presence‘ heißt das vierte Album seines Trios, das er gemeinsam mit Kontrabassist André Nendza und Schlagzeuger Kurt Billker eingespielt hat.

Seine Website listet unter Projekte noch weitere Aktivitäten und Konstellationen auf: Philipp van Endert Solo, Philipp van Endert Trio & Rick Margitza, Lajos Dudas & Philipp van Endert, Magnolia (ein Duo mit der Sängerin Anne Hartkamp), Axel Fischbacher & Philipp van Endert, Bret’s Frets, Mathias Haus & Philipp van Endert, Philipp Van Endert Group und er spielt seit Jahren auch im Quartett des Klarinettisten Lajos Dudas – das Album ,Live At Salzburger Jazzherbst‘ ist kürzlich erschienen.
Bisher ist van Endert auf über 40 CDs zu hören, sein Album ,Khilebor‘ wurde 2006 für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert, er ist Preisträger des Steven D. Holland Memorial Scholarship, des Berklee Guitar Department Achievement Award und Kulturförderpreisträger der Stadt Düsseldorf (1996) und seit 2009 auch als Dozent für Jazz-Gitarre am Institut Für Musik und Medien der Robert Schumann Hochschule und am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück tätig.
Sein Trio scheint für Philipp Van Endert so etwas wie die die Achse seiner Arbeit zu sein. Hier ist er am nächsten bei sich selbst – seine Solo-Auftritte mal ausgenommen, hier spielt er überwiegend eigenes Material und hier ist er trotzdem fordernden und musikalisch herausfordernden Partnern ausgesetzt, mit denen er genau das erleben lässt, was Jazz ausmacht: Improvisation, Interaktion, Spontaneität und Ausdruck.
Aufgenommen wurde ,Presence‘ (das übrigens auf CD und Vinyl veröffentlicht wird) während der Tour des Trios im vergangenen Jahr, allerdings nicht vor Publikum sondern zwischen den Konzertterminen live in drei verschiedenen Studios: dem Kölner Loft, im Sounddesign Studio Hagenberg und im legendären MPS-Studio in Villingen. Die Produktion klingt hervorragend, warm, transparent – Bass, Gitarre und Schlagzeug kreieren eine unglaubliche Dichte, an anderer Stelle wieder absolute Weite und Raum ohne Ende. Mit dem wunderbar swingenden Kurt Billker arbeitet van Endert auch u.a. bei Lajos Dudas, und André Nendza ist einfach einer der einfühlsamsten Individualisten am Kontrabass, den ich kenne. Er trägt, legt vor, brilliert in kurzen prägnanten Solo-Spots und taucht wieder ganz tief ab. Philipp van Enderts Gitarrenstil ist inzwischen bei vielen Themen absolut pianistisch geprägt, von einer unglaublichen Virtuosität und höchster harmonischer Kreativität. Und wenn er linear abjagt, wie z.B. in Nendzas Komposition ,White Coat Hypertension‘, dann hört man beste 70s-Scofield-Blues-Bop-Qualität, mit angecrunchtem Gitarrenton, der die Wärme von Jim Hall und die Sensibilität von Mick Goodricks ersten beiden Alben streift.

Philipp, mit welchem Equipment hast du diesen Gitarrenton bzw. diese Sounds im Studio kreiert?

Ich benutze seit meinem 16. Lebensjahr eine Ibanez Artist AS 200. Diese Gitarre ist seitdem mein Hauptinstrument obwohl ich auch andere Gitarren habe aber ich liebe speziell diese über alles und hüte sie wie meinen Augapfel. Als Verstärker benutze ich zwei Mesa Boogie Studio 22+, die ich über ein Boss Digital Delay (DD-5) Stereo anspiele. Das Delay habe ich auf Rückwärts Delay / Reverse Modus eingestellt, so daß es einen Sound kreiert, der etwas schräg im Hintergrund weg plätschert. Weiterhin benutze ich einen Xotic BB Preamp und noch ein zusätzliches altes Digital Delay (DD-2), was ich mit langem Delay eingestellt habe, so daß ich damit Flächen und lange Sounds kreieren kann. Weiterhin benutze ich ab und zu eine Loop Station (Boss RC-20XL), mit dem dich im Trio ab und an Sequenzen und Akkorde reinfahren kann. Um diese Akkorde und Flächen rein zu fahren, benutze ich ein Morley Volumen Pedal, daß ich auch fürs Solospiel ab und zu einsetze. Seit neuestem benutze ich noch einen Octaver (Boss OC-3), wenn ich manchmal für Arrangements tiefe Töne brauche, wenn z.B. mein Bassist Andre Nendza eine Melodie Linie spielt und untenrum was fehlt. In meinen verschiedenen Duos, setze ich diesen Sound noch öfters ein. Das schöne dabei ist, daß man ihn so einstellen kann, daß nur bis zu einer gewissen Frequenz die Oktave angetriggert wird. Das heißt, Akkorde auf den oberen Saiten sind gut und ohne Oktave zu hören, während auf den tiefen Saiten ein Basston dazu kommt.

Ist das auch dein Live-Setup?

Das ist auch mein Live Setup. Allerdings muss ich manchmal nur mit einem Verstärker reisen, wenn im Tourbus oder im Auto nicht genug Platz ist. Dann ist es aber trotzdem das gleiche Setup aber dann eben nur mit einem Verstärker und in Mono.

Eine Gitarristen-Frage zum beliebten Thema Handschuhton: Senkst du die Höhen am Amp oder an der Gitarre ab?

Ich habe an meinem Amp die Höhen nicht besonders hoch eingestellt, etwa auf 3. An der Gitarre habe ich beim Hals Pick-up die Höhen voll drin, was einen sehr warmen, schönen Humbucker Sound kreiert. Wenn ich den hinteren Pick-up benutze, beziehungsweise den vorderen und hinteren zusammen, dann habe ich bei dem hinteren Humbucker die Höhen sehr weit raus gedreht. Etwa auf 2. Das ergibt dann in der Kombination einen sehr schönen warmen Sound der aber durch den hinteren Pick-up trotzdem etwas mehr Punch bekommt.

Wie ist das Verhältnis von Plektrumspiel und Fingereinsatz?

Ich benutze in letzter Zeit das Plektrum fast nur noch bei Uptempo-Stücken oder wenn ich einigermaßen schnelle Single-lines spiele. Ansonsten benutze ich sehr viel die Finger, vor allem weil ich auch sehr akkordisch spiele. Da ich mit klassischer Gitarre angefangen habe und bis zu mein Studium in Boston auch klassischen Gitarrenunterricht nebenher weitergemacht habe, fühlt sich das Spiel mit den Fingern für mich sehr natürlich an. Das gibt mir die Möglichkeit sehr fließend zwischen Single-lines und Chords zu wechseln und diese zu kombinieren. Wenn ich mit den Fingern spiele, dann benutze ich beim akkordischen Spiel alle Finger der rechten Hand. Also auch den kleinen Finger. Bei den Single-lines benutze ich vor allem den Daumen und den Zeigefinger. Dabei verschwindet das Plektrum entweder in der Innenseite meiner Hand oder in meinen Mund (was bestimmt etwas doof aussieht). Ich habe das Gefühl, daß ich durch das Spiel mit den Fingern gerade was Dynamik und Ausdruck angeht noch viel intensiver und fließender spielen kann als ich das mit Plektrum könnte. Das führt dazu, daß ich manche Stücke (z.B. Balladen) ganz ohne Plektrum spiele. Beim Comping für andere Solisten, stelle ich übrigens meistens an meiner Gitarre einen Schalter um, mit dem ich vom Humbucker Sound auf Single-Coil umstellen kann. Dadurch wird der fette Sound etwas dünner und somit gebe ich ein bisschen mehr an Raum und Frequenzen frei für den Solisten.


Welche Saitenstärke bevorzugst du?

Bis vor zwei Jahren habe ich .010er Saiten benutzt. Aber inzwischen bin ich auf .011er Saiten umgestiegen. Der Sound wird dadurch noch etwas voller. Ich benutze immer Stahlsaiten, was kurioserweise gar nicht so einfach ist zu bekommen als 11er Satz. Aber ich habe jetzt zwei Marken gefunden, die auch 11er Stahlsaiten herstellen.

Ich höre bei diesem neuen Album bei manchen Themen und auch in einigen Solo-Parts einen dezent pianistischen Approach heraus. Was hast du zuletzt an Musik gehört?

Danke das nehme ich als Kompliment. Mir ist in der Tat das akkordische Spiel sehr wichtig. Für mich hat ein gutes Comping den gleichen Stellenwert wie ein gutes Solo. Und die Farben die man damit erzeugen kann wie man ein Solisten unterstützen kann oder wir man auch in seinem Solo akkordisch arbeiten kann, ist für mich enorm wichtig und interessant. Wir haben als Gitarristen ein Harmonieinstrument zur Verfügung und sollten diese Vorzüge auch nutzen. Manchmal finde ich, daß das zu wenig beachtet wird. Oftmals werden entweder single lines oder Comping gespielt aber beides zusammen hört man nicht all zu oft. Als Pianisten mag ich sehr viele von den modernen Spielern wie Brad Mehldau u.a. sehr gerne aber ein großer Einfluss war auch mit Sicherheit Bill Evans für mich. Auch das Akkordspiel von McCoy Tyner, was mir vor allem durch meinen Unterricht bei Steve Kahn näher gebracht wurde, hat mich sehr beeinflusst. Vor allem sind es hier die Modal- oder Quartvoicings, die ich sehr gerne benutze und die mir die Freiheit geben mich harmonisch zu bewegen und nicht nur auf einem Akkord oder dessen Umkehrungen zu beschränken. Ich bin nach wie vor ein totaler Musikfan. Daher kaufe ich mir alle paar Monate einen ganzen Stapel CDs und Platten. Es gibt so viele tolle Sachen aber eine Produktion, die ich sehr mag ist: Travel Guide von Ralph Towner (mit Wolfgang Muthspiel und Slava Grigoryan).

Auf deinem Platten-Label JazzSick Records wurden bereits über 80 CDs veröffentlicht. Was sind deine Kriterien, um mit einem Künstler zusammenzuarbeiten und seine Musik zu veröffentlichen?

Vor allem muss die Musik mir selber so gut gefallen, dass ich sie kaufen würde, wenn ich im Plattenladen stehe. Darüber hinaus sind die meisten Produktionen ja von Künstlern, mit denen ich selber Musik mache und/oder die ich als Kollegen und Freunde sehr schätze. Wir sind mit JazzSick Records ja nur ein verhältnismäßig kleines Label und daher müssen wir sehr drauf achten welche und wie viele Produktionen wir herausbringen. An jeder Produktion hängt ungeheuer viel Arbeit und Zeit. Aber wir haben uns über die Jahre ein gutes Team aufgebaut, bei dem jeder seine Aufgaben hat, so dass die Veröffentlichung sehr gut betreut werden.

Noch ein bisschen Name-Dropping zum Schluss: Welchen Bezug hast du zu Attila Zoller?

Ich habe von Attila Zoller zum ersten Mal gehört über meinen Mentor und Freund Lajos Dudas. Mit ihm arbeite ich nun seit über 20 Jahren zusammen und er war es, der mir durch seine Produktionen und Konzerte mit Attila Zoller diesen wunderbaren Gitarristen näher brachte. Ich finde Attila war ein sehr moderner Gitarrist obwohl sein Sound ja eher traditionell war aber seine Linien waren dabei ungeheuer modern und absolut nicht Mainstream. Zusammen mit Lajos Dudas spielen wir immer wieder live auch Stücke von Attila. Sie sind brillant und machen großen Spaß. Vor allem seine verrückten Ideen und großen Intervallsprünge beim Spielen und in seinen Kompositionen mag ich sehr.

Und zu Jim Hall …?

Was für ein großartiger Gitarrist. Er vereint alles was ich oben genannt habe in Bezug auf Akkordisches Spiel, melodische Entwicklung und schönen Single lines in Kombination mit Akkorden. Dabei ist sein Spiel so unfassbar dynamisch und musikalisch, dass ich immer in Ehrfurcht zuhöre. Ich hatte das Glück während meiner Studienzeit in Boston Jim Hall einmal live zu erleben. Es war ein Sonntagmorgen-Matinee Konzert und er trat zusammen mit einem Bassisten und dem wunderbaren Herb Pomeroy am Flügelhorn auf. Die drei spielten so schön und kammermusikalisch, dass die Sonne aufging. Jim Hall machte dabei beim Comping für die anderen Solisten den Lautstärkeregler der Gitarre ganz aus, so dass man ihn nur noch akustisch hörte. Trotzdem war alles da und so klar. Es war wunderbar.

Zu Mick Goodrick?

Mick Goodrick habe ich oft in Boston live gehört. Oftmals auch im Duo mit Wolfgang Muthspiel. Das war unfassbar inspirierend zu hören. Wie sich die beiden über ihre Instrumente unterhielten war faszinierend. Mein Lehrer und Freund Bret Willmott kennt Mick auch sehr gut (beide sind Dozenten in Berklee) und viele seiner Konzepte haben wir durchgenommen und gespielt. Sein Buch „The Advancing Guitarist“ ist natürlich Kult – ein großartiges Buch.

Deine Scofield-Lieblingsplatte heißt …?

Ganz schwer da eine heraus zu wählen. Ich mag eigentlich fast alle seiner Platten unheimlich gerne. Aber wenn ich eine auswählen muss, dann ist das wohl seine Balladenplatte „A Moment´s Peace”, die vor etwa drei Jahren herauskam. Unfassbar mit welcher Ruhe und Ausgeschlafenheit die Musiker die Stücke wie Gemälde dahin gießen.

Und meine Philipp-van-Endert Lieblingsplatte heißt ,Presence‘. Ein großartiges, abwechslungsreiches Album, von einem Gitarristen der in einer wirklich tollen Band unaufdringlich unglaubliche Vielseitigkeit demonstriert. Jazz bleibt es dabei immer.

Dankeschön! Wir hatten das Glück unsere neue Platte ,Presence‘ während unserer letzten Tour aufzunehmen. Der Vorteil dabei war, daß wir total eingespielt waren und ganz befreit ohne Nachzudenken ins Studio gehen konnten. Ich glaube das hat der Musik und der Spontanität der Platte sehr gut getan. Wir haben zwar in drei verschiedenen Studios aufgenommen aber beim Mischen schon drauf geachtet, dass ein einheitlicher Sound durchkommt. Die Session im berühmten MPS Studio in Villingen-Schwenningen war dabei mit Sicherheit ein ganz besonderes Ereignis. In diesem geschichtsträchtigen Studio aufzunehmen, wo u.a. Attila Zoller, Oscar Peterson und viele, viele andere Helden aufgenommen haben, war eine große Inspiration. Neu war diesmal auch daß wir ohne Kopfhörer aufgenommen haben und uns einfach nur so wie im Proberaum aufgestellt haben. Es war eine Befreiung so aufzunehmen und nicht auf einen Kopfhörer Sound angewiesen zu sein, der meistens immer nur ein Kompromiss ist. Zwar sind wir damit volles Risiko gefahren, weil Fehler nur schlecht auszubessern waren. Aber im Zweifelsfalle würde ich dann lieber mit einem kleinen Fehler leben, wenn dafür aber der Take schön war. Aber dadurch dass wir so gut eingespielt waren, sind gottseidank nur wenig Fehler passiert und im schlimmsten Falle mussten wir halt noch mal z.B. ein Thema neu spielen und später dran schneiden. Obwohl es dieses Trio jetzt schon seit über zehn Jahren gibt, ist diese Platte erstaunlicherweise die erste reine Trioplatte. Auf den vorigen Alben waren immer Gäste dabei, was natürlich auch sehr schön ist. Das Trio-Format ist ja auch sehr offen und einladend für Gäste. Aber eigentlich war es nun wirklich mal an der Zeit eine reine Trioplatte zu machen, weil wir in dieser Besetzung ja meistens spielen und touren. Ich bin überaus glücklich darüber wie gut die Platte bisher angenommen wird und gute Kritiken bekommt. Das alles zeigt mir, daß die Zeit richtig dafür war nun eine reine Trio Platte einzuspielen. ■

Story: Lothar Trampert